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»bauchhund« kämpft
Wohnmietrecht gegen Gewerbemietrecht
Das seit 2001 bestehende »bauchhund salonlabor« hat eine kräftige Mieterhöhung und die Kündigung bekommen. Über 100 Künstlerinnen und Künstler haben dort bisher ausgestellt oder performt.

Der Inhaber Christoph »Agi« Böhm auf Facebook: »Vor vier Jahren verkaufte die »Fröhlich & Haase GbR« die Häuser der Schudomastraße 36, 37, 38 und 39 in 12055 Berlin/Rixdorf an die »Albert Immo 3 s.á.r.l.« nach Luxemburg. Dies führte bei allen Bewohnern der Häuser zu immensem Chaos bei gleichzeitiger Verwahrlosung durch unterlassene Pflege. Es kam zu enormen Mietsteigerungen, nicht nachvollziehbaren Betriebskostenanstiegen. »bauchhund« kämpft weiterlesen
»Kultur-Erdbeben«
Tempelhof Sounds
Berlin ist nicht gerade als erdbebengefährdet eingestuft. Als jedoch der Kultursommer auf dem Vorfeld des Tempelhofer Feldes mit »Tempelhof Sounds« startete, erreichte die Erdbebenskala einen Wert von 1,4 auf der Richterskala. An drei Meßstationen in der Nähe des Tempelhofer Feldes wurden die Magnituden verzeichnet.
In den Sozialen Medien herrschte Aufregung, Polizei und Feuerwehr wurden mit Anrufen, Nachfragen und Beschwerden beglückt.
Einer Bewohnerin aus der Nähe fiel in der vierten Etage eine Stehlampe um, bei anderen klapperten Gläser im Schrank und die Schranktüren öffneten sich. Ein Stück weiter konnte keine Erdbewegung festgestellt werden.
Es dauerte ein wenig, bis die Ursache für dieses Erbeben feststand: Die mitreissende Musik und die Aufforderung der Band »Florence and the Machine« liess die 40.000 Gäste springen und hüpfen.
Verstärkt durch die Freude der Menschen darüber, wieder draußen zu sein, gemeinsam mit anderen Musik zu hören und zu tanzen nach den entbehrungsreichen Corona-Beschränkungen ließ sie dann vermutlich ein wenig übermütig werden.
Ein schönerer Anlass für ein Erdbeben ist kaum vorstellbar.
ro bs
Es reicht hinten und vorne nicht
Steigende Energiepreise beuteln die Geldbörse
»Man kann den Cent umdrehen soviel man will, es wird nicht mehr.« Peter stoppt seinen Elektrorollstuhl, um Pfandflaschen in einer Plastiktüte mitzu nehmen. Der Einkauf wird zu teuer, es reicht hinten und vorne nicht, um alles aus seiner zu knappen Sozialrente zu erschwingen, ein wahrer Kraftakt, nicht nur für ihn, sondern auch für andere Menschen, die Transferleistungen beziehen. »Ich fahre schon herum, von Geschäft zu Geschäft, um zu sehen, ob es etwas billiger gibt«.
In diese Bedrängung kommen nicht nur Menschen, die soziale Leistungen beziehen, sondern alle anderen, die von ihrer Erwerbsarbeit leben und nicht zu den Vielverdienenden zählen. Der Mindestlohn liegt noch nicht bei zwölf Euro. Selbst die, welche im Mittelfeld recht gut verdienen, können nicht absolut sicher sein, dass ihr Einkommen künftig zur Deckung des Lebensstils reichen wird, zumal sie alleinerziehend sein können oder Familien haben. Den steigenden Mieten folgen nun die Energiekosten und Lebensmittelpreise. Es reicht hinten und vorne nicht weiterlesen
Seit zehn Jahren ungesühnt
Gedenkfeier erinnert an den Mord an Burak Bektaş
Zehn Jahre sind inzwischen vergangen, seit am 5. April 2012 ein Unbekannter in der Nähe des Neuköllner Krankenhauses unvermittelt auf eine Gruppe Jugendlicher schoss. Der damals 22 jährige Burak Bektaş starb, zwei seiner Begleiter wurden schwer verletzt. Der Täter verschwand, von ihm fehlt bis heute jede Spur. Der Verdacht steht seitdem im Raum, dass Burak Bektaş Opfer eines rechtsextremen Verbrechens geworden ist. »Der Tathergang erinnert an die Morde des NSU«, erklärt die »Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş«.

Rund 200 Menschen – Angehörige, Freunde und Mitglieder verschiedener Initiativen, die sich für die Aufklärung der Mordtat einsetzen – versammelten sich am 10. April an der Gedenkstätte am Möwenweg, um zu erinnern und anzuklagen. Mit Blick auf den Mord und auch im Zusammenhang mit der seit Jahren anhaltenden rechtsextremen Angriffsserie in Neukölln forderten sie eine lückenlose Aufklärung: »Wir werden Jahr für Jahr hier stehen bis der Täter gefasst ist«. Seit zehn Jahren ungesühnt weiterlesen
Neuköllner Alltägliches
Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Neuköllner Tageblatt
Freitag, 10.2.1922
Ueberfahren und beraubt. Von einem Auto überfahren und erheblich verletzt wurden auf dem Hermannplatz der Kaufmann Arthur Eiselt, Jahnstraße 19 wohnhaft, und seine Braut Gertrud Litzmann, Herrfurthplatz 5 wohnhaft. Als die Verletzten ihre umhergestreuten Sachen zusammensuchen wollten, hatten schon Augenzeugen des Unfalls eine Handtasche mit verschiedenem Inhalt, eine Damenuhr, eine kleine Brieftasche mit 135 Mark u. a. Entwendet. Die Bestohlenen haben dadurch einen Schaden von 3000 Mk erlitten.
Kiezgespräch
Von Vorurteilen und Angst
KuK: Welche Themen bewegen dich in deinem Kiez?
Yusef: Dass du mit mir redest. Wenige Deutsche reden mit mir. Ich bin Neuköllner, meine Eltern sind Araber, genau wie die aller meiner Freunde. Merkst du, was ich meine? Ich habe keine Freunde, die eine deutsche Familie haben, obwohl ich hier zur Welt gekommen bin und hier wohne, wie du. Warum ist das so? Ich weiß es nicht. Sieh mal. Ich habe einen schwarzen Lockenkopf und mein Nachname ist der gleiche, wie einer dieser Clans, aber das ist nicht meine Familie, ich gehöre nicht dazu, die kommen aus einem ganz anderen Land als meine Vorfahren! Und trotzdem muss ich das erwähnen, damit ein Deutscher nicht in Angst gerät oder sofort Vorurteile hat. Wenn er sie nicht sowieso schon hat. Jeden Tag das gleiche seit ich denken kann, seit 30 Jahren. Kiezgespräch weiterlesen
Petras Tagebuch
Freudloses Einkaufen
Insbesondere zum Winteranfang muss ich in den Schränken räumen, um an die Dinge zu kommen, die zur jetzigen Kälte passen. In diesem Jahr traf es mich besonders hart. Von meinen zahlreichen warmen Shirts war über die Hälfte entweder zerlöchert vom Alter oder von Motten. Ein ähnliches Bild ergab sich beim Sockenbestand. Ganz zu schweigen von den Merinojacken, die heftig gelitten haben.
Eine solche Anhäufung an warmer Kleidung, die nach Entsorgung ruft, hatte ich bisher noch nicht. Petras Tagebuch weiterlesen
Vorfahrt für die Straßenbahn
Nahverkehrskonzept der Neuköllner Linken sieht dichtes Liniennetz vor
»Unsere E-Mobilität heißt Straßenbahn.« Unter dieser Überschrift stellte Ludwig Lindner bereits am 8. Oktober 2019 das Nahverkehrskonzept der Neuköllner Linken vor. Es sieht einen starken Ausbau des Straßenbahnnetzes und die Verlängerung der U-Bahnlinie U8 vor. Der Autoverkehr soll weiter reduziert und die Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger erhöht werden. Der Vorschlag lehnt sich an die Planungen der rot-rot-grünen Koalition an, die bereits den Ausbau zweier Straßenbahnlinien nach und durch Neukölln und die Verbesserung des Radwegenetzes vorsehen. Dazu hat die Neuköllner Linke detaillierte und erweiternde Möglichkeiten entworfen. Es soll ein dichtes Netz von U-Bahn- und Straßenbahnlinien entstehen.
Demnach würde die U8 von der Hermannstraße in Richtung Britz verlängert werden, mindestens bis zur Gutschmidtstraße. Die Verlängerung der U7 nach Schönefeld wird hinterfragt, da bereits eine S-Bahnverbindung bestehe.
Umfangreicher soll sich der Ausbau des Straßenbahnnetzes gestalten. Die Verlängerung der M10 von der Warschauer Straße zum Hermannplatz ist bereits vom Senat festgelegt. Die M10 soll dem linken Konzept nach künftig auch über den Platz der Luftbrücke möglichst bis zur Julius-Leber-Brücke geführt werden. Vorfahrt für die Straßenbahn weiterlesen
Petras Tagebuch
Maskerade
Aktuell scheiden sich die Geister am Tragen eines Mund-und Nasenschutzes. Die Träger eines solchen beschweren sich über die Nachlässigkeit der Mitbürger, die sich verweigern, heben aber mal schnell den Schutz ab, um in ein Brötchen zu beißen oder an einer Zigarette zu ziehen oder eine Limonade zu trinken. Ist ja auch alles nicht verwerflich. Brillenträger leiden ganz besonders unter dem Tragen der Schutzmasken. Mit beschlagenen Gläsern tasten sie sich durch die Straßen und geben ein trauriges Bild ab. Manche Maskenträger haben für sich die Abstandsregelung für erledigt erklärt und verhalten sich so, als gäbe es keine der Situation entsprechenden Regeln. Petras Tagebuch weiterlesen
Dem Rathaus aufs Dach steigen
Das »NIC« hat wieder geöffnet
Das »Neukölln Info Center« (NIC) im Eingangsbereich des Rathauses ist seit dem 17. März wieder regelmäßig geöffnet. Betrieben wird es jetzt von einem Netzwerk, in dem sich Neuköllner Kreative zusammengeschlossen haben, in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung und dem Fachbereich Kultur des Bezirksamts Neukölln. Beim Netzwerk machen die Publizistin Tanja Dickert, sie ist federführend, der Stadtführer Reinhold Steinle, der Designer Martin Mai von der »Berlinfabrik« und der Blechschilderhersteller Heiko Büttner mit.
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Selbstbewusst gegen Moscheehetze
Es ist unerträglich, welche Tiraden mit inzwischen trauriger Regelmäßigkeit aus der »Al Nur Moschee« an die Öffentlichkeit dringen.
Ob ein Verbot des gesamten Vereins durchsetzbar ist, ist jedoch fraglich, denn dem steht der Schutz der Religionsfreiheit entgegen. Das heißt aber nicht, dass die Mehrheitsgesellschaft derartige Äußerungen tatenlos hinnehmen sollte. Im Gegenteil, alle Demokraten sind dazu aufgerufen, diesem Steinzeitislam selbstbewusst entgegenzutreten und Rechtsbrüche nicht zuzulassen. Einzelpersonen, die rassistische und frauenverachtende Hetze verbreiten, können und sollen durchaus zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu gehört aber ebenso, dass Menschen, die aus diesen Strukturen ausbrechen wollen, Schutz und Sicherheit geboten wird. Und es gehört dazu, den jungen Menschen Perspektiven zu bieten und sie davon zu überzeugen, dass ein selbstbestimmtes Leben allemal besser ist als ein Leben im Gefängnis mittelalterlicher Traditionen.
Marianne Rempe
Neue Pläne für die alte Frauenklinik
Investor stellt sein Konzept zum Wohnungsbau vor
Lange tat sich nichts auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik am Mariendorfer Weg. Die »Comer Group«, die noch 2013 vollmundig den Bau von 1.000 Eigentumswohnungen verkündete, ließ die Gebäude immer weiter verfallen.
Jetzt kommt aber offenbar wieder Bewegung in die Sache. Im Januar 2015 kaufte die »AVILA-Gruppe,« zu der auch das katholische »Petruswerk« gehört, das Areal.
Die »AVILA Management & Consulting AG« wurde vor zehn Jahren gegründet. Ihr Chef, Douglas Fernando, ist mit 60 Prozent an der Unternehmensgruppe beteiligt, die restlichen 40 Prozent hält die »Karmel Missionsstiftung«, in die auch die Unternehmensgewinne fließen.
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Bibliothek stöhnt unter den Aufgaben
Zu wenig Personal für zu viele Besucher
Vom Schnupperbesuch für die Kleinen bis zu Suchstrategien im Informationsdschungel, die »Helene-Nathan-Bibliothek« bietet mehr als die Ausleihe von Büchern.
Morgens vor der Öffnungszeit kommen bereits Schulklassen, die Projektarbeiten machen, oder Kitagruppen, die hier spielerisch erste Erfahrungen mit der Bibliothek sammeln. Schüler werden beim Erwerb von Sprach- und Lernkompetenz unterstützt, Hausaufgabenhilfe wird angeboten. Die Musikabteilung ist eine der größten Berlins und wird von Musikern aus der gesamten Stadt genutzt. Daneben werden Ausstellungen organisiert und Leseabende angeboten. Bibliothek stöhnt unter den Aufgaben weiterlesen
Neuköllner Alltägliches
Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr. 53 – Donnerstag, 04. März 1915
Pappelabholzung auf dem Tempelhofer Felde. Mehr als ein Dutzend alter Pappeln, die den Ringbahndamm in der Nähe des Bahnhofs Papestraße gegen die Westseite des Tempelhofer Feldes begrenzten, sind nunmehr der Axt zum Opfer gefallen. Das Gelände am Ringbahndamm, das der Eisenbahnverwaltung gehört, wird gegenwärtig für Laubenkolonisten hergerichtet und parzellenweise an Beamte und Arbeiter der Staatsbahn vergeben, um mit der Bestellung von Frühkartoffeln und Gemüse zu beginnen. Da die alten Bäume sehr viel Platz beanspruchten und auch infolge ihres Schattens dem Gemüseanbau hinderlich sind, mußten sie leider das Feld räumen. Neuköllner Alltägliches weiterlesen
Letzter Vorhang für den König von Neukölln
Unspektakulärer Abgang in der Bezirksverordnetenversammlung
Wer eine pathetische Abschiedsvorstellung erwartet hatte, wurde enttäuscht. In wenigen knappen Sätzen erklärte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 28. Januar, dass er den Regierenden Bürgermeister Michael Müller gebeten habe, ihn zum 1. April in den Ruhestand zu versetzen. Aus gesundheitlichen Gründen.
Die BVV-Mitglieder erinnerte er noch einmal daran, »Wo Neukölln ist, ist vorn!« Das wurde von allen Fraktionen mit stehenden Ovationen quittiert.
Leben um jeden Preis?
Diskussion über Würde, Tod und Selbstbestimmung in der »Dorfschule Rudow«
Der Saal in der alten Dorfschule Rudow war rappelvoll. Kein Wunder, ging es um ein Thema, das jeden früher oder später betrifft: wie kann ein würdevolles Sterben gelingen. Führt Sterbehilfe zu mehr Selbstbestimmung auch am Ende unseres Lebens oder geht es für diejenigen, die Sorge haben, im Alter oder bei schwerer Krankheit anderen zur Last zu fallen nicht vielmehr um großen Druck und Fremdbestimmung? Leben um jeden Preis? weiterlesen
Prügelei in der U-Bahn
»Importierter Antisemitismus« als Scheinargument
Das Jahr 2015 beginnt äußerst unschön für Shahak Shapiro, einen jungen Israeli, der seit Jahren in Deutschland lebt. Mit ein paar Freunden ist er in der Silvesternacht unterwegs zu einer Bar, die U-Bahn ist proppenvoll. Als eine Gruppe mutmaßlich arabisch-stämmiger Jugendlicher beginnt, antisemitische Parolen zu grölen, scheinen alle im Zug plötzlich Unmengen an SMS zu bekommen, keiner versucht auch nur empört auszusehen. Nur zwei Männer fordern die Gruppe auf, das Gerufe zu beenden und werden daraufhin bedrängt und eingeschüchtert. Shahak filmt das Ganze, was letztlich den Zorn der Jugendlichen auf ihn lenkt, und es kommt zur Schlägerei. Ohne sein Zutun gelangt alles an die Presse, und was danach passiert, ist erstaunlich: verschiedene Stellen nutzen das Ereignis für ihre Zwecke, und hauptsächlich wird die Gelegenheit ergriffen, um wieder einmal vom »importierten Antisemitismus« durch muslimische Migranten zu erzählen. Prügelei in der U-Bahn weiterlesen
Bürgerbeteiligung im Digitalzeitalter
Die Online-Plattform zum Tempelhofer Feld – eine vertane Chance?
Ein gelungener Volksentscheid, eine Party auf dem Feld, die Schlacht um das «Wiesenmeer» scheint gewonnen. Doch was jetzt? Eine Bebauung schließt das neue Gesetz auf dem Tempelhofer Feld aus, doch sonst lässt es Raum für Neugestaltung und Änderungen, bei denen die Bürger die Möglichkeit haben sollten mitzubestimmen.
Unter dem schnittigen Namen «Adhocracy» hat der in Neukölln ansässige gemeinnützige Verein «Liquid Democracy e.V.» eine freie Software geschaffen, die als Betriebssystem für demokratische Beteiligung fungiert. Diese wurde im Dezember 2014 vom Senat für Stadtentwicklung als Diskussionsforum rund um das Tempelhofer Feld freigeschaltet, alles im Rahmen der Erstellung des »Entwicklungs- und Pflegeplans« (EPP). Mit der Koordination des Projekts betreute Ex-Bausenator Michael Müller den Geschäftsführer des »BUND«, Tilmann Häuser, damals ein vehementer Kritiker des Gesetzesentwurfs der Regierung. Bürgerbeteiligung im Digitalzeitalter weiterlesen
Neuköllner Alltägliches
Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr. 28 – Mittwoch, 03. Februar 1915
Berechtigte Klagen über den Mangel an Nickelgeld. In fast allen Kreisen geschäftlicher Unternehmungen wird seit Beginn des Krieges schwer über den Mangel an Nickelgeld geklagt. Dieser Mangel ist in erster Linie auf die Sammelbüchsen der verschiedenen Vereinigungen zurückzuführen. Die Sammelbüchsen enthalten meistens Nickelmünzen im ungefähren Betrage von je 50 Mark. Bleiben von diesen Büchsen 10.000 Stück längere Zeit und zwar, wie es vorgekommen ist, über vier Monate ungeleert, so ergibt dies einen dem Geldverkehr vorenthaltenen Betrag von einer halben Million Mark. Neuköllner Alltägliches weiterlesen
Ergo sum – also bin ich
Ein Leben in Bildern in der Galerie im Saalbau
»Cogito ergo sum – ich denke, also bin ich« lautet der berühmte Satz von René Descartes, der das subjektive Erkennen als Beweis der menschlichen Existenz betrachtet. „ergo sum – also bin ich!“ lautet der Titel der Ausstellung in der Galerie im Saalbau, in der die Malerin Emel Geris ihre Sicht auf das menschliche Dasein präsentiert.
Die Bilder von Emel Geris sind surreale Gedankencollagen, die sich einer festen Interpretation entzie- hen. Farbenprächtige, wohnzim-merartige Innenräume geben den Blick frei auf eine geheimnisvolle Außenwelt. Die immer wieder-kehrende Figur einer Frau ist auf wenige Merkmale reduziert, ein Kopf, eine Hand, die eine Feder führt oder einen Blumenstrauß hält, ein Schnürstiefel, der kraftvoll auftritt. Auf anderen Bildern sind die Figuren nur noch Strichmännchen, die auseinander stieben. Ergo sum – also bin ich weiterlesen
Onkel -kys Märchenstunde
Lesung mit Schnauze im »Leuchtturm«
Zum Auftakt der Lesereihe 2015 lud die »Bürgerstiftung Neukölln« am 28. Januar zu einem nostalgischen Leseabend mit Horst Bosetzky, besser bekannt unter seinem Pseudonym -ky, in den »Neuköllner Leuchtturm«.
Bosetzky ist in Neukölln aufgewachsen. Er besuchte in den Nachkriegsjahren jene Volksschule, die heute als »Campus Rütli« bekannt ist. Die Erinnerungen des Bestseller-Autors mit Fotografien der Berliner Künstlerin Rengha Rodewill erwecken längst vergessene Orte der Kindheit Bosetzkys in Neukölln wieder zum Leben.
Entstanden ist ein amüsant-nostalgisches Buch, das sich vor allem an die Leser der Nachkriegsgeneration richtet. So war das Publikum auch fast ausnahmslos jenseits der Sechziger. Onkel -kys Märchenstunde weiterlesen
Bilder der Vergänglichkeit
»Exitus« in der Galerie im Körnerpark
Kaum etwas wird in unserer Gesellschaft so tabuisiert wie der Tod. Er wird ausgegrenzt und abgeschoben in Krankenhäuser und Hospize. Die Kunst dagegen zerrt den Tod wieder ins Leben zurück.
Die Künstler, deren Werke derzeit in der Ausstellung »Exitus« in der Galerie im Körnerpark zu sehen sind, beschäftigen sich aus ganz persönlicher Betroffenheit mit den Themen Trauer, Melancholie, Vergänglichkeit, Tod, Verlust.
Der idyllische Zauber der Neuköllner Peripherie
Milena Aguilars Gemälde im »Museum Neukölln«
Bei schönem Wetter fährt sie an den Stadtrand, um Orte zu suchen, an denen Stadt und Land ineinander übergehen. Hat sie einen Ort gefunden, baut sie ihre Staffelei auf, um diesen Anblick festzuhalten. Die Bilder, die auf diese Weise entstanden, zeigt die in Neukölln lebende Malerin Milena Aguilar seit dem 23. Januar im »Museum Neukölln« unter dem Titel »Brücke über stillem Wasser«.
Es sind idyllische Land- schaften, in den satten Farben des Sommers. Milena Aguilar malt ausschließlich unter freiem Himmel, die kältere Jahreszeit ist dafür eher ungeeignet. In den Bildern spielt zwar die Natur die Hauptrolle, das urbane Leben wird aber überall sichtbar, wie bei dem Feld, hinter dem sich in der Ferne die Skyline der Gropiusstadt erhebt, der Baustelle des Flughafens BER, vor der sich ein Mohnfeld ausbreitet oder der blühenden Wiese, hinter der eine Straße zu erahnen ist. Der idyllische Zauber der Neuköllner Peripherie weiterlesen
Schönes aus der Tiefe der Erde
Steiniges und Geschliffenes im rechten Licht
Fasziniert betrachteten die Besucher Millionen Jahre alte Fossilien und funkelnde Edelsteine. »Die versteinerte Welt« im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt gab am 10. und 11. Januar rund 40 Ausstellern die Gelegenheit, ihre Schätze aus der Welt der Edelsteine und Mineralien, aber auch Schmuck und Kunsthandwerk zu präsentieren. Schönes aus der Tiefe der Erde weiterlesen
Hoch hinaus
Treppenläufer beim Tower-Run
Hoch hinaus geht es beim Tower- Run. Nach einer Einführungsrunde von 400 Metern geht es 465 Stufen bis zur 30. Etage aufwärts in das höchste Berliner Wohnhaus an der Fritz-Erler-Allee!
Der diesjährige Lauf am 11. Januar war bereits der fünfzehnte seiner Art, der von der »TuS Neukölln«, der SPD Neukölln und der Bauge- nossenschaft »IDEAL« organisiert wird.
Der Tower-Run bildet den Auftakt zu einer Treppenlaufserie in Deutschland, bei der am Ende auch ein offizieller Gesamtsieger ermittelt wird. Mitmachen kann jeder, gelaufen wird in unterschiedlichen Altersklassen. Hoch hinaus weiterlesen
Eine Bürgerinitiative wird kaltgestellt
Senat zieht die Zuständigkeit für die Buckower Felder an sich
Nach dem Erfolg des Volksentscheids über das Tempelhofer Feld hatte Berlins neuer Regierender Bürgermeister Michael Müller einen anderen Umgang mit der Stadtgesellschaft versprochen. Wie der aussehen könnte, hat er in einer seiner letzten Amtshandlungen als Senator für Stadtentwicklung demonstriert.
Es geht um die Buckower Felder, der letzten landwirtschaftlich genutzten Fläche zwischen Buckower Damm, Gerlinger Straße und der Grenze zu Brandenburg. Dort sollen vier- bis fünfgeschossige »Wohnschlangen« entlang der Straßen, zwei- bis dreigeschossige Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Stadtvillen im Zentrum, dazu viergeschossige »Torhäuser« entstehen; außerdem zwei neue Kitas und Grünflächen.
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Müller in Form
Der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller versprach nach den Erfahrungen mit dem Volksbegehren zum Tempelhofer Feld einen anderen Umgang mit Bürgerbeteiligung. Das hat er gehalten, allerdings nicht so, wie die Berliner erhofft hatten.
Bei dem Bürgerbegehren gegen die Bebauung der Buckower Felder übergab der Bezirk, als es mit den Bürgern ungemütlich wurde, flugs die Verantwortung an den Senat. Müller nahm dankend an, und das Bürgerbegehren, das auf Bezirksebene durchgeführt wurde und durchaus Aussicht auf Erfolg hatte, war hinfällig.
Ein verheerendes Signal, zeigt es doch der Bevölkerung, dass die Politik nach wie vor nicht willens ist, sich auf einen Dialog mit ihnen einzulassen und Kompromisse zu suchen.
Wenn die Bürger aufmüpfig werden, kehrt die Politik nach wie vor gerne den Obrigkeitsstaat heraus. Bei solchen Entscheidungen ist es wenig verwunderlich, wenn das Volk der Politik mit immer größerem Mißtrauen begegnet.
Marianne Rempe
Von TTIP und Zwangsverrentung
BVV schließt das Jahr mit unerfreulichen Themen ab
Vor dem Rathaus sammelten Linke und Piraten Unterschriften gegen das sogenannte »Transatlantische Freihandels- und Investitionsschutzabkommen« (TTIP). Im Rathaus startete am 3. Dezember die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit der Entschließung »Neukölln sagt Nein zu TTIP«.
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Verpasste Chancen
Flüchtlingsheim bleibt in privater Trägerschaft
Eigentlich war die erst Anfang des letzten Jahres fertiggestellte Flüchtlingsunterkunft in der Späthstraße nur als Provisorium gedacht und sollte bereits Ende dieses Jahres wieder abgerissen werden. Der Pachtvertrag für das Privatgrundstück läuft am 31. Dezember 2015 aus.
Inzwischen hatte der Eigentümer, Möbelunternehmer Kurt Krieger, dem Land den Rückkauf des Grundstücks angeboten, sogar weit unter dem Preis, den er selbst beim Erwerb an den Liegenschaftsfonds des Landes Berlin gezahlt hatte. Eigentlich ein gutes Geschäft für das Land. Es verkauft ein Grundstück teuer, erwirbt es für weit weniger zurück, spart die Abrisskosten der Gebäude in Millionenhöhe und erhält die 400 Heimplätze, deren Bau ebenfalls mehr als acht Millionen Euro gekostet hat. Verpasste Chancen weiterlesen
Neuköllner Alltägliches
Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr. 1 – Freitag, 01. Januar 1915
Wenn wir Weißbrot und Kuchen, so wie wir es bisher gewohnt waren, weiter essen, wird unser Vorrat an Weizen höchstens noch bis zum April reichen. Früher wurde unser deutscher Weizenvorrat durch eine Zufuhr von etwa vierzig Millionen Zentnern aus dem Auslande ergänzt, von dieser Zufuhr sind wir jetzt abgeschnitten. Es heißt also, sich beizeiten daran zu gewöhnen, nur Roggenbrot zu essen. Dies ist für gesunde und kräftige Menschen nicht schwer, für schwache und kranke aber um so schwerer. Darum ist es die Pflicht jedes gesunden Menschen, schon jetzt auf Weißbrot und Kuchen zu verzichten, damit das Weizenmehl für die, die es nur sehr schwer entbehren können, länger reicht. Es geziemt sich auch nicht, daß wir uns hier in Festkuchen, Stollen, Pfannkuchen, feinen Backwaren usw. gütlich tun, während die Blüte unserer Nation draußen im blutigen Ringen steht und den größten Entbehrungen ausgesetzt ist. Wir müßten uns schämen, wenn wir nicht einmal ein so kleines und unbedeutendes Opfer zu bringen vermöchten. Weihnachten ist vorüber, und es sind gewaltige Mengen von Weizenmehl zu Kuchen verwendet worden. Damit ist es aber genug. Von jetzt ab gehört kein Kuchen mehr in ein deutsches Haus. Betätigt diese Gesinnung auch schon zu Neujahr! Neuköllner Alltägliches weiterlesen
Elterngeld – Teilen für den Nachwuchs
Gesetzesänderung sorgt für mehr Flexibilität bei der Erziehungszeit
Was vor wenigen Jahren noch als »Wickelvolontariat« verspottet wurde, wird langsam zu einem gesellschaftlichen Trend: die sogenannten Vätermonate bei der Erziehungszeit.
Das neue Gesetz zum »Elterngeld Plus«, das zum 1. Januar 2015 in Kraft tritt und für Geburten ab dem 1. Juli 2015 gilt, soll durch die flexible Kombination von Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit den Weg in die Familienarbeitszeit weiter ebnen. Elterngeld – Teilen für den Nachwuchs weiterlesen
Turbulenzen um den »Frauentreffpunkt Schmiede«
Frauenförderung zur Selbsthilfe benötigt Unterstützung
Der »Frauentreff- punkt Schmiede« am Richardplatz ist seit 1991 als sozialer und kultureller Anlauf- punkt eine unverzichtbare Institution für Frauen in Neukölln. Frauen in schwierigen Lebenssituationen erhalten hier Rat und Hilfe. Es werden Fortbildungen und Beratungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Gesundheit und Selbsthilfe angeboten. Sprachunterricht und PC-Kurse helfen bei der beruflichen Weiter-bildung. Außerdem laden ein Café und eine kleine Galerie zum Verweilen ein. Turbulenzen um den »Frauentreffpunkt Schmiede« weiterlesen
Neuköllner Alltägliches
Nachrichten aus dem»Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr 281 – Dienstag, 01. Dezember 1914
Die Aufgabe von Weihnachtspaketen für unsere Krieger zeitigte in den letzten Tagen auf dem hiesigen Hauptpostamt einen solchen Ansturm, daß die Paket=Annahmestelle zeitweise geschlossen werden mußte. Freilich hatte sich unsere Post auch in keiner Weise für diesen Ansturm, der vorauszusehen war, vorbereitet. Nur wenige Beamte standen zur Abfertigung des Publikums zur Verfügung, so daß sich die Abnahme der Pakete in einem wahren Schneckentempo bewegte. Hunderte von Paketaufgebern mußten daher stundenlang geduldig im Schalterraum harren, bis sie ihr Paket loswurden, und wem diese Zeit fehlte, mußte leider mit seinem Paket wieder den Heimweg antreten. Es ist bedauerlich, daß auch hierbei unsere Post wieder einmal gänzlich versagte. Neuköllner Alltägliches weiterlesen
Blick in ein kurzes Soldatenleben
Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg
18 Jahre alt war Bernhard Appelt aus Neukölln, als er seine Lehre zum Kaufmann abbrach und als Freiwilliger in den Krieg zog. Zuerst an die Ost-, später an die Westfront. Dreieinhalb Jahre später war er tot. Gefallen auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges. Einer von fast 17 Millionen Opfern dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Was von ihm blieb, ist eine Kassette mit Tagebüchern, Fotos und Briefen, die er von der Front an seine Mutter und seine Schwester schickte.
Viele Jahre später fand sein Großneffe Bernhard Schmidtbauer die Briefe und veröffentlichte sie als Buch. Den Grund dafür nennt er in seinem Vorwort: »Weil ich mir sicher bin, dass die ,große‘ Geschichte des Ersten Weltkriegs erst durch seine vielen kleinen Geschichten begreifbar wird.« Blick in ein kurzes Soldatenleben weiterlesen
Die Welt aus Eierkuchensicht
Rührende Ausstellung im Saalbau von Gaby Taplick
Die kleinste Eierkuchenfabrik der Welt ist derzeit in der Galerie im Saalbau aktiv.
Gaby Taplick hat sie für ihre Ausstellung »In den Raum geflüstert« entwickelt. Daneben stehen begehbare Skulpturen im Raum, in einer Landschaft aus bergartigen Dreiecken. Die Welt aus Eierkuchensicht weiterlesen
Tatort Lesung
»Gesicht eines Mörders« und »Kalter Hund« in Neukölln
Spannung, Grusel, manchmal auch schwarzer Humor erwartete die Liebhaber der Kriminalliteratur. Mehr als 60 Veranstaltungen in Berlin und Brandenburg beschäftigten sich zwischen dem 19. und dem 23. November mit Mord und Totschlag und den Untiefen des menschlichen Charakters. Auch Neukölln war »Tatort« in diesem fünften Krimimarathon. Im »CIC Berlin-Brandenburg« (Centrum für Cochlear Implant Rehabilitation) in der Paster-Behrens-Straße stellten zwei Autoren ihre Kriminalromane vor. Tatort Lesung weiterlesen