Weihnachtsmann hat neuen Standort

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Schienenersatzverkehr . Foto: pr

Umzug vom Tempelhofer Feld in die U-Bahn

Im letzten Jahr berichtete die Kiez und Kneipe über die Produktionsstätte des Weihnachtsmanns auf dem Tempelhofer Feld. Er suchte sich das Gelände aus, um näher an den Menschen und deren Wünschen zu sein.

Mit der Entscheidung des Senats, einen See auf dem nordwestlichen Teil des Tempelhofer Feldes anzulegen, bekam nicht nur der Weihnachtsmann die Kündigung für seine Produktionsstätte, auch für die Feldlerchen wurden bereits neue Behausungen in Brandenburg geplant.

Für den Weihnachtsmann, der sich ausgesprochen wohl auf dem Feld fühlte, war das bitter. Er war nun in der Situation, von der mancher Neuköllner aus eigener Sicht berichten kann. Aus der Not heraus suchte er das Gespräch mit der BVG, die sich sehr von seiner Idee  geschmeichelt fühlte.

Er brauche nur zwei U-Bahnstationen, um seiner Arbeit nachzukommen, und die sollten in der unmittelbaren Nähe sein. Stolz verwies die BVG auf die Stationen der U8 von der Hermannstraße bis zur Boddinstraße. Hier stellte sie auch die zahlreichen Schutzbunker aus dem zweiten Weltkrieg, die sich dort unter der Erde befinden, zur Verfügung. Damit war dann auch das Problem der Unterbringung der Rentiere gelöst. Ein nobler Stall wurde für sie eingerichtet.

Und damit Weihnachtsmann, Werkstattwichtel und Rentiere einfach aus dem Schacht in die Hermannstraße kommen, hat die BVG dem Einbau von Aufzügen an der Leine- und Boddinstraße zugestimmt. Seit dem Sommer nun produziert das Team des Weihnachtsmanns die Geschenke, die die Neuköllner am 24. Dezember bekommen.

»Es sind angenehme Arbeitsbedingungen hier«, so der Weihnachtsmann. »Mit unseren Befragungen in der Hermannstraße kommen wir gut voran, und wir hoffen, dass alle Beschenkten mit ihren Präsenten zufrieden sein werden.«

Die Geschichte der BVG hinsichtlich der Bauarbeiten am Tunnelschacht ist also lediglich erfunden worden, um den Weihnachtsmann ungestört arbeiten zu lassen.

Im nächsten Jahr, sobald der BUND mit seiner Klage gegen den Bau des Sees wahrscheinlich erfolgreich sein wird, wird auch der Weihnachtsmann wieder auf dem Tempelhofer Feld zu finden sein. Die U-Bahn wird wieder fahren und die Fahrgäste können an den Stationen einen Aufzug nutzen.

ro

»Platz der Stadt Hof« wird »Alfred-Scholz-Platz«

Die neue Platzgestaltung erfordert eine neue Namensgebung

Dank langwieriger Diskussionen in den vergangenen Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mussten viele Themen in den letzten Monaten immer wieder vertagt werden. Deshalb wurde am 29. November eine außerordentliche Sitzung anberaumt.

Einer der Tagesordnungspunkte war die geplante Umbenennung des »Platzes der Stadt Hof«. Im Rahmen des Platzumbaus hatte die »[Aktion! Karl-Marx-Straße]« einen Ideenwettbewerb für die Namensgebung ausgelobt. Allerdings stießen die eingebrachten Vorschläge auf keine große Gegenliebe bei den BVV-Fraktionen. Stattdessen brachte die SPD-Fraktion den Vorschlag ein, den Platz nach dem SPD-Bürgermeister Alfred Scholz zu benennen, der 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt entfernt wurde. Bertil Wewer von den Grünen plädierte aber dafür, den alten Namen beizubehalten.

Da der »Platz der Stadt Hof« seinen Namen auf Bitten der Stadt Hof trage, solle er deshalb auch nur auf Bitten der Stadt Hof umbenannt werden. Dort stößt diese Diskussion aber eher auf Unverständnis. Außerdem, erklärte Wewer, sei Hof der erste Ort nach dem Transit durch die DDR und somit die erste Stadt im Westen gewesen. Damit erinnere der »Platz der Stadt Hof« auch an die deutsche Teilung. Im Übrigen eigne sich der Rathausvorplatz viel besser für die Erinnerung an Alfred Scholz. Das sahen die Fraktionen der SPD und CDU ganz anders. Der Rathausvorplatz gehöre nicht zum öffentlichen Straßenland und außerdem sei der neue Platz viel repräsentativer. Mit 38 zu 14 Stimmen wurde der Vorschlag, den alten Namen beizubehalten, abgelehnt.

mr

Jugendprojekt »Warthe 60« wird geschlossen

Weniger Geld für Kinder- und Jugendarbeit fordert Opfer

Der Druck, der auf der Neuköllner Verwaltung lastet, ist zweifelsfrei hoch. Der Jugendhilfeausschuss (JHA), Stadtrat Liecke (CDU) und das Jugendamt Neukölln müssen handeln.

Nach kürzlicher Tiefenprüfung stellte sich heraus, dass knapp 20 Prozent der durch die unterschiedlichsten Träger erfolgten Betreuungsleistungen im Neuköllner Kinder- und Jugendbereich nicht »produktgenau« aufgeführt waren. So gab es in einigen Bereichen mehr Leistungen, in anderen weniger. Unter dem Strich blieb ein Minus, Geld muss »umgetopft« werden, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Eklatant betroffen von dieser Misere ist die »Warthe 60«, ein vom Kirchenkreis Neukölln und dem Bezirksamt Neukölln finanziertes Projekt im Rahmen der offenen Jugendarbeit. Die Einrichtung soll geschlossen werden. Die »Warthe 60« liegt in der Warthestraße im nicht ganz unproblematischen südlichen Schillerkiez und leistet seit 2003 hervorragende Arbeit für ihre 12- bis 16-jährigen Besucher in vielen wichtigen Bereichen: Gewaltprävention für Jugendliche, Unterstützung in schulischen Angelegenheiten, bei sportlichen Aktivitäten sowie Peer-Group-Treffen.

Nun sollen für eine Testphase von maximal zwei Jahren 1,5 Stellen sowie viele zusätzliche Kinder in das »Interkulturelle Kinder- und Elternzentrum ‚Am Tower‘« in der Oderstraße umsiedeln. Das könnte die ohnehin gut besuchten Räumlichkeiten des »Tower« überlasten. Die Gewaltprävention für die Jugendlichen soll künftig dezentral stattfinden, damit die »Neuköllner Präventionskette« möglichst stabil bleibt. Schließlich soll diese auch dazu dienen, Jugendliche vor Straftaten zu bewahren.

Zu hoffen bleibt, dass die jetzige Kürzungspolitik im Kinder- und Jugendbereich die Gesamtgesellschaft in Zukunft, an anderer Stelle und Haushaltsposition, nicht teuer zu stehen kommen wird.

bs

Mieter sagen ihre Meinung

Wohnungsbaugesellschaft »Stadt und Land« trifft Rollbergbewohner im »Morus 14«

Die jährlich stattfindende Mieterversammlung im Rollbergkiez ist schon etwas Besonderes. Veranstaltet wird sie von der SPD, die auch im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft »Stadt und Land« sitzt. Immerhin ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft Vermieterin von ungefähr 2.000 Wohnungen, die sich zwischen Hermannstraße und Karl-Marx-Straße befinden.
Die SPD tritt bei dieser Veranstaltung als Vermittlerin im Konflikt zwischen den Mietern und der Geschäftsführung von »Stadt und Land« auf.
Im gut gefüllten Saal des Gemeinschaftshauses »Morus 14« in der Morusstraße trafen sich wie jedes Jahr am Buß- und Bettag, diesmal am 20. November, um die 50 Mieter.
Auf dem Podium befanden sich der SPD-Abgeordnete für Neukölln, Erol Özkaraca, der Geschäftsführer von »Stadt und Land«, Ingo Malter, seine Mitarbeiterin Cornelia Würz, das BVV-Mitglied Cordula Klein (SPD) und als Vertreter des Mieterbeirats Manfred Hassmer.

RollbergTypische Bebauung im Rollbergkiez.   Foto: fh

Im Jahresbericht wurde festgehalten, dass die Asbestsanierung bei einem Mieterwechsel durchgeführt wird. Es sei deshalb kein drängendes Problem, weil sich das Asbest unter dem Fußbodenbelag befindet, der es, so lange er nicht beschädigt ist, auch nicht freigibt. Das haben auch alle Messungen bestätigt.
Weiter sind Rauchmelder im Keller und eine Videoüberwachung eingerichtet worden. Das wurde notwendig, weil im vergangenen Jahr Brandstifter in Kellern Feuer gelegt hatten.
Bedauerlicherweise hat sich die Einrichtung einer Hausmeisterwohnung direkt im Gebäude nicht durchgesetzt. Dieses Projekt hat sich als zu teuer erwiesen. Jedoch versicherte Malter, dass die Hauswarte im Bezirk wohnen und damit die Wege kurz seien.
Die Mieter beklagten eine schlechte Kommunikation zur Geschäftsführung. Auf bauliche Mängel würde oftmals sehr spät und auch erst nach häufigen Nachfragen reagiert.
Bereits im vergangenen Jahr wünschten sich die Mieter, dass die schmale Morusstraße in eine Einbahnstraße umgewandelt wird oder dass Halteverbotsschilder aufgestellt werden. Tatsächlich herrscht dort ein tägliches Verkehrschaos, weil zwei Autos nicht aneinander vorbei kommen. Cordula Klein hat bereits mit dem Verkehrsausschuss in der BVV darüber geredet, bisher jedoch ohne Erfolg. Sie zeigte sich aber guter Hoffnung, dass der Ausschuss dieses Thema bald aufgreifen werde.

oj

Das »SchwuZ« steppt den Rollbergkiez

Konzerte und Ausstellungen finden nun in großzügigeren Räumlichkeiten auf dem Kindl-Gelände statt

Als es sich 1971 in der Schöneberger Kulmer Straße gründete, hat niemand damit gerechnet, dass das Schwulenzentrum, genannt »SchwuZ«, im Jahre 2013 in Neukölln ankommt.
Gefeiert wurde dieses Ereignis am 16. November in der Rollbergstraße 26. Im ehemaligen Flaschenlager auf dem Kindl-Gelände hat das »SchwuZ« nun seine Räumlichkeiten, in denen auch die Eröffnungsparty stattfand.

 schwuZ»SchwuZ« unter dem Rollberg.   Foto: fh

Natürlich zeigten sich alle wichtigen Neuköllner und queeren Menschen aus der Stadt. Egal, welche Farbe die Partei hat, von allen waren Vertreter gekommen. Selbst die Neuköllner Polizei aus dem Rollberg vom Abschnitt 55 zeigte sich und feierte mit.
So ganz freiwillig entschloss sich das »SchwuZ« nicht, vom alten Standort Mehring­­­­damm in Kreuzberg wegzuziehen.  Es wurde zu klein, die Besucherströme passten nicht mehr in die Räume. Hinzu kamen Beschwerden über Lärmbelästigung und zunehmende bauliche Mängel.
So schwer dieser Schritt gefallen ist, die Mitglieder des »SchwuZ« freuen sich heute über ihr neues Domizil in Neukölln. Sie können aufgrund der großzügigen Räumlichkeiten größere Konzerte als bisher veranstalten und planen, als neuen Programmpunkt auch Ausstellungen anzubieten.

schwuz2Politpromis lesen Kiez und Kneipe.    Foto: fh

Sonder- und Kulturveranstaltungen werden das Leben im Kiez bereichern und so sieht das »SchwuZ« auch seinen politischen Auftrag darin, den sich stark verändernden Rollbergkiez mitzugestalten. Hinzu kommt die zukünftige kulturelle Ausrichtung des Kindl-Geländes, das mit den Aktivitäten des »SchwuZ« sicher eine Bereicherung erfahren wird.

ro

Berliner Senat wirbt für Planierraupen

Die Stadtkonferenz sollte Lust auf die Bebauung des Tempelhofer Felds machen

Lust und Laune darauf machen, was sich in den nächsten Jahren auf dem Tempelhofer Feld entwickeln wird, das sollte die »Standortkonferenz Wohnen auf dem Tempelhofer Feld«. So jedenfalls kündigte die Moderatorin die Veranstaltung am 28. November in der Haupthalle des alten Flughafens an.
Staatssekretär Ephraim Gothe aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erklärte, dass Berlin bis zum Jahr 2030 bis zu 230.000 Zuwanderer erwarte. Aufgrund dieser hohen Zuwanderungsrate sei es unumgänglich, den Wohnungsneubau massiv voranzutreiben, und das Tempelhofer Feld sei die einzige öffentliche Fläche in der Innenstadt, über die der Senat nach eigenen Vorstellungen verfügen könne.
Michael Schneidewind von der Bürgerinitiative »100% Tempelhofer Feld« hat erhebliche Zweifel an dieser Prognose und stellte die Frage, wo die Leute herkommen sollen. Infolge des Geburtenknicks würden auch die wanderungsfreudigen Bewohner immer weniger. Im übrigen sei das Tempelhofer Feld für eine Bebauung völlig ungeeignet. Die grüne Wiese müsse erst für viel Geld, das die Steuerzahler aufbringen müssten, baureif gemacht werden. Den Vorwurf, die BI wolle die Bebauung aus egoistischen Gründen verhindern, wies Schneidewind energisch zurück. Die Bürgerinitiative setze sich im Gegenteil dafür ein, dass die Stadt auch in Zukunft noch lebenswert bleibe. Das ginge aber nur, wenn sie nicht komplett zugebaut werde.

stadtkonferenzIngo Malter, Geschäftsführer von »Stadt und Land«. Foto: mr

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen »Stadt und Land« und »Degewo« sowie die »Baugenossenschaft Ideal« wollen in einem ersten Abschnitt ab 2016 am Tempelhofer Damm 1.700 Wohnungen errichten, 50 Prozent davon zu Nettokaltmieten von 6,50 bis 8,50 Euro. Da Neubauten aufgrund der hohen Baukosten für unter zehn Euro kaum noch zu errichten sind, können diese Mieten nur dadurch erzielt werden, dass die anderen 50 Prozent der Wohnungen weitaus teurer vermietet werden.
Während Gothe immer wieder die Attraktivität dieses neuen Stadtteils beschwor, wies Ingo Malter, Geschäftsführer von »Stadt und Land«, auch auf die ungelösten Probleme hin. So sei noch keineswegs klar, wie die Verkehrsanbindung zu regeln sei, ohne dass der Verkehr auf dem bereits jetzt chronisch verstopften Tempelhofer Damm vollends zusammenbreche. Ebenso wenig sei geklärt, wie die erwarteten Besuchermassen, die in die geplante Zentral- und Landesbibliothek strömen sollen, mit der Ruhebedürftigkeit der Anwohner in Einklang zu bringen seien.
Viel Beifall aus dem Publikum bekam Tilman Heuser vom BUND, der ebenfalls auf die vielen ungelösten Fragen hinwies. Er forderte, endlich mit dem »Gerede von der Alternativlosigkeit dieses Standortes« aufzuhören. Von der Senatsverwaltung verlangte er, dass sie offen und transparent über das Pro und Contra informiere. Erst das gäbe eine wirkliche Diskussionsgrundlage.

mr

Wärterwechsel im Leuchtturm

Die Bürgerstiftung Neukölln übernimmt die Regie im Creativ Centrum

Viele Jahre haben Karen-Kristina und Bernhard Bloch-Thieß mit ihrem Engagement für Leben im Neuköllner Leuchtturm gesorgt. Jetzt übertrugen sie die Regie an die Bürgerstiftung Neukölln. Aus diesem Anlass lud die Bürgerstiftung am 9. November zu einem unterhaltsamen Abend mit Musik und Buffet.
Auch in Zukunft soll der Leuchtturm ein Ort der Kunst und besonders der Fotografie bleiben. Davon zeugt die derzeit laufende Ausstellung von Halina und Ralph Hildebrand mit Fotografien von Menschen, die für das Engagement im Kiez stehen.

leuchtturmSammeln für den Leuchtturm.       Foto: mr

Die Patenprojekte zur Förderung von Kindern und Jugendlichen sollen ebenfalls weitergeführt werden. Darüber hinaus wird der Leuchtturm Raum bieten für Kiezinitiativen, für Begegnungen, Gespräche, Diskurse und Streitfragen. Kommunikation sei die Grundlage für das Gelingen eines funktionierenden Zusammenlebens zwischen Zuwanderern und Alteingesessenen, sagte Barbara John, ehemalige Ausländerbeauftragte des Senats. Neukölln sei ein Labor für das Leben im 21. Jahrhundert, und dazu gehörten Geschäftsleute ebenso wie Gangs. Ein Bürgermeister, der das nicht verstehe und das Leben ins 20. Jahrhundert zurückdrehen möchte, sei für die Entwicklung einer Stadt wie Neukölln nicht hilfreich.
»Wir müssen geben lernen, nicht nur Geld, sondern auch Zeit, ein Wort, ein Lächeln«, meinte Rayan Abdullah, Schöpfer des Logos der Bürgerstiftung »N+«. Die Menschen, die hierherkommen, kämen ja nicht nur mit Problemen, sondern auch mit Talenten. Insofern sei die Vielfalt der Mentalitäten und Nationalitäten auch eine Bereicherung für Neukölln.  Ganz ohne Geld geht es aber auch nicht. Charmant und temperamentvoll moderierte Bertil Wewer eine amerikanische Versteigerung. Der Erlös von etwa 1.000 Euro kommt den Projekten der Bürgerstiftung zugute. 

mr

Aus für die Parkgespräche

Wie schrecklich ist Neukölln?

Der »Talk im Körnerpark« war fünf Jahre lang ein Forum, in dem Bürger gemeinsam Themen diskutieren konnten, die den Bezirk Neukölln betreffen. Mit dem Parkgespräch am 29. November endete diese Veranstaltungsreihe jetzt.
»Wie schlimm oder schön ist Neukölln wirklich?« war das Thema der letzten Gesprächsrunde. Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU), Uli Lautenschläger vom Quartiersmanagement Körnerpark und Fritz Felgentreu, Mitglied des Bundestags (SPD), versuchten im Rückblick zu ergründen, wie stark sich Neukölln in den letzten fünf Jahren verändert hat.
Neukölln sei bunt und vielfältig, nur kümmere sich die Presse vorzugsweise um die schlechten Nachrichten, meinte Liecke. Es solle zwar nichts unter den Teppich gekehrt werden, aber es gebe doch viel Positives zu berichten. Die Kunst, die Kultur oder die Mode seien inzwischen zu Wirtschaftsfaktoren geworden. Wenn allerdings der Verwertungsdruck zu groß werde, drohe auch hier wieder Verdrängung. Der Ansicht war auch Uli Lautenschläger, der darauf hinwies, dass sich Neukölln gerade mit der Kunst einen Namen gemacht habe. Veranstaltungen wie die »48 Stunden Neukölln« oder Institutionen wie die »Neuköllner Oper« seien weit über den Bezirk hinaus bekannt. Fritz Felgentreu findet das Image des Bezirks eher schillernd. Da gebe es einmal den »Mythos Neukölln«, der die Kreativität beschwöre. Da gebe es aber auch die Parallelgesellschaften, in denen die Zuwanderer ihre Kultur und Riten eins zu eins übernehmen. Das schlage sich beispielsweise in einer Paralleljustiz nieder, bei der Imame die Beteiligten unter Druck setzen, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen und damit ein rechtsstaatliches Verfahren unmöglich zu machen. Solche Verhaltensweisen ließen sich nur über Bildung aufbrechen, aber dazu bedürfe es guter Schulen. Schulen vor allem, in denen es eine gesunde Mischung von Kindern deutscher und migrantischer Herkunft gebe.

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Abschied mit Blumen.         Foto: mr

Insgesamt waren sich die Diskutanten einig, dass Neukölln auf einem guten Weg ist, es aber noch viel zu tun gibt.
Ob das nun wirklich der letzte Talk war oder ob es in einem anderen Format vielleicht doch weitergeht, war nicht ganz klar. Moderator Martin Steffens jedenfalls meinte, es gäbe noch sehr viele Themen, über die in Neukölln gesprochen werden müsste.

mr

Franziska Giffey putzt Stolpersteine

Erinnern an Deportationen

Die kleinen Messingplatten auf dem Bürgersteig sind im Laufe der Jahre stumpf geworden, die Inschriften nur noch schwer zu lesen. Es sind Stolpersteine, die vor den  letzten Wohn­adressen jüdischer Nachbarn und anderer Verfolgter und Ermordeter des Naziregimes liegen. Sie beginnen alle mit »HIER WOHNTE«, dazu kommen Namen, Geburtsjahr, Deportationsdatum und der Hinweis auf Todesort und Todesdatum des Opfers.
Anlässlich des 75. Jahrestages der Pogromnacht am 9. November veranstalteten die Berliner Stolperstein-Initiativen eine stadtweite Aktion zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Volker Banasiak, der Koordinator der Neuköllner Stolperstein-Initiative, hatte dazu einen Kiezrundgang zusammengestellt, der zu Orten rund um die Karl-Marx-Straße führte, an denen Stolpersteine verlegt sind. Verbunden war dieser Rundgang mit einer Putzaktion, bei der auch Kulturstadträtin Franziska Giffey zu Putzmittel und Lappen griff, um die Messingplatten wieder zum Glänzen zu bringen. In Zukunft würde er diese Aktion gern zweimal im Jahr durchführen, erklärte Volker Banasiak.

stolpersteine Putzen

Stolpersteine putzen.              Foto: mr

Etwa 50 Leute begleiteten ihn auf seinem Rundgang. An den einzelnen Stationen informierte er die Teilnehmer über die Hintergründe der Stolpersteinaktion und über die Geschichte der Menschen, die in diesen Häusern wohnten. In den meisten Fällen sei über das Leben der Opfer allerdings kaum mehr bekannt als die Daten aus den Akten der verschiedenen Behörden, erklärte er. So wurden von den Finanzbehörden penibel die Habseligkeiten registriert, die die Menschen bei ihrem Abtransport in die Vernichtungslager zurücklassen mussten. In der Innstraße 24 hatte er mehr zu erzählen. Dort wird an die Kommunistin Olga Benario erinnert, deren Geschichte gut dokumentiert ist.

 mr

Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

Nr. 292 – Sonnabend
13. Dezember 1913
Errichtung eines neuen Krankenhauses in Neukölln.
In der letzten geheimen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung wurde, wie wir bereits mitteilten, dem Antrage des Magistrats auf Abschluß eines Vertrages mit dem Mutterhaus der barmherzigen Schwestern vom heiligen Borromäus zu Trier zugestimmt, welcher die Errichtung eines Krankenhauses auf dem städtischen Gelände am Mariendorfer Wege zum Gegenstand hat. Durch die Ausführung dieses Vertrages wird der zukünftige Bedarf der Gemeinde an Krankenhausbetten im wesentlichen gedeckt werden können. Die Opfer der Stadtgemeinde für das Krankenhauswesen sind zurzeit bereits beträchtliche. Die in dem vor wenigen Jahren eröffneten städtischen Krankenhause in Buckow zur Verfügung stehenden 712 Betten erfordern einen jährlichen Zuschuß von etwa 830 000 Mark. Nach dem oben genannten Vertrage verpflichtet sich die Genossenschaft der Schwestern zur Errichtung eines modernen paritätischen Krankenhauses von 300 Betten, das später auf 600 Betten vergrößert werden soll. 60 Prozent der Bettenzahl 3. Klasse werden für den üblichen Verpflegungssatz Neuköllner Einwohnern zur Verfügung gestellt und diesen auch für die beiden übrigen Klassen Ermäßigungssätze eingeräumt. Die Gegenleistung der Stadtgemeinde besteht in der Überlassung des 11 Morgen großen Grundstücks zur Hälfte des Buchwerts unter Verzicht auf Straßenregulierungs= und Kanalisationsgebühren. Ferner trägt die Stadtgemeinde die Kosten für die Projektbearbeitung und die Bauleitung. Bei Enstehen eines Fehlbetrages im Betriebe hat sich ferner die Stadtgemeinde zu einer Zuschußleistung verpflichtet, die im Höchstfalle 100 000 Mark nicht überschreitet, nach den bei dem Betriebe der übrigen Krankenhäuser gemachten Erfahrungen aber voraussichtlich nicht in Anspruch genommen zu werden braucht. Auf die Führung der Verwaltungsgeschäfte ist der Stadt ein Einfluß dadurch eingeräumt, daß der jeweilige Oberbürgermeister den stimmberechtigten Vorsitz im Kuratorium der Anstalt führt. Die 42 Krankenhäuser der genannten Genossenschaft, zu denen auch das St. Hedwigs=Karnkenhaus in Berlin gehört, genießen sowohl hinsichtlich der Verpflegung wie der ärztlichen Behandlung einen ausgezeichneten Ruf in allen Teilen der Bevölkerung. Sie verdanken dies vor allem ihrer Schwesternschaft, die in völlig selbstloser Weise sich ihrem schweren Berufe widmet. Die Aufnahme in das Krankenhaus erfolgt  ohne Rücksicht auf politische oder religiöse Stellung der Kranken und schließt jede etwaige religiöse Beeinflussung aus.  Dies geht schon daraus hervor, daß in dem St. Hedwigs=Krankenhaus zu Berlin die Zahl der aufgenommenen evangelischen Kranken die der Katholiken um mehr als 1/3 übersteigt und daß auch zahlreiche jüdische Personen in ihm Aufnahme finden.Gegenüber dem Betriebe des städtischen Krankenhauses bedeutet für die Stadtgemeinde die getroffene Regelung eine ganz beträchtliche Ersparnis, welche schon bei dem ersten Bauteile von 300 Betten auf etwa eine Viertelmillion zu veranschlagen ist. Die Anstalt, welche in unmittelbarer Nähe der Provinzial=Hebam­menanstalt und gegenüber der königlichen Taubstummenanstalt und Lehrerseminar am Mariendorfer Wege errichtet werden soll, wird bei ihrer günstigen Lage in der Nähe des Ringbahnhofs Hermannstraße sicher auf einen bedeutenden Zuspruch rechnen können und die hygienischen Einrichtungen der Stadt wertvoll bereichern.

Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1913 übernommen. Nachzulesen in der Helene-Nathan-Bibliothek.

Krankenhausplanungen

Der Krieg verhindert ein neues Krankenhaus

Das heutige Krankenhaus Neukölln wurde 1909 mit Abteilungen für Chirurgie, innere Medizin, Röntgen und Pathologie eröffnet. Der Bau war aufgrund der wachsenden Einwohnerzahl der Gemeinde Rixdorf notwendig geworden.
1912 standen dem Krankenhaus 450 Betten zur Verfügung. Trotzdem mussten 990 Patienten abgewiesen werden. 1913 kamen durch Fertigstellung neuer Pavillons 262 Betten dazu. Für Privatpatienten erster und zweiter Klasse gab es 16 Betten.  Die Zahl der Abweisungen verringerte sich auf 319.
Versorgt wurde das Krankenhaus unter anderem von den Stadtgütern. Vom Rittergut in Waßmannsdorf erhielt es Milch, Kartoffeln und Gemüse. Letzeres wurde aber auch im eigenen Garten angebaut. Fleisch wurde in Berlin in ganzen Stücken zum Marktpreis eingekauft und dann in der eigenen Schlachterei zerlegt. Zur Verwertung der Speiseabfälle gab es eine Schweinemästerei. Eine Bäckerei sorgte täglich für frisches Brot  und eine Wäscherei für die saubere Wäsche.
Da trotz Erweiterungsbauten die Bettenanzahl für Neukölln nicht ausreichte, wurde am Mariendorfer Weg ein zweites Krankenhaus unter Leitung des Ordens der Borromäerinnen geplant.
Vorgesehen war eine Kuppelkirche mit Kreuzgang, um die sich die Krankenhausgebäude für 600 Betten gruppierten. Geplant waren eine chirurgische, eine innere und eine Kinderabteilung, außerdem ein Bau für die Schwestern, Wirtschaftsgebäude und ein Ärztehaus.
Die durch den Krieg verursachten höheren Baukosten veranlassten den Orden aber, sich aus dem Projekt zurückzuziehen.  Nach dem Krieg entstand hier die Frauenklinik.

mr
Quelle: Verwaltungsberichte für die Stadt Neukölln 1912/13 u. 1914-18

 

Petras Tagebuch

Waldfrevel

Seit vielen Jahren bereits pflege ich die Tradition des Waldfrevels. In der Woche vor dem ersten Advent fahre ich mit der Regionalbahn ins Umland, fahre ein Stück mit dem Fahrrad, um dann Kiefern, Tannen und Fichten aus dem Wald zu holen. Im Rahmen meiner sommerlichen Fahrradtouren suche ich immer die bes­ten Gegenden für den Grünklau aus.
Da ich prinzipiell nie für mich selbst Zweige hole,  sondern nur im Auftrag,  muss selbstverständlich Nachfrage und Angebot aufeinander abgestimmt werden.
In diesem Jahr fuhren wir also in gewohnter Zusammensetzung, nämlich Werner und ich, mit der Bahn nach Oranienburg. Ungefähr zehn Kilometer entfernt fanden wir unseren Adventsschmuck noch in freier Natur. Wir machten uns ans Werk und beluden die Fahrräder mit der Beute. Die Fahrräder waren so vollgepackt, dass die Rücklichter unter den Zweigen verschwanden.
Dann passierte das, worüber wir in den vergangenen Jahren immer scherzten: Der Förster stand vor uns und erkundigte sich nach unserer Fracht. Sie war nicht zu übersehen und es gab auch nichts zu beschönigen. Ja, wir haben in seinem Wald Tannen und Kiefern gestohlen. Er hielt die Hand auf: »30 Euro kostet Sie der Spaß« und belehrte uns über unseren Diebstahl.
Ich überlegte verzweifelt, wie ich den Mann besänftigen könnte und bot ihm einen Tee an. Das wertete er allerdings als Bestechungsversuch und ließ mich ins Leere laufen.
Mein nächster Versuch, mit ihm ein freundliches Gespräch zu führen, bezog sich auf die Jagd. Sie­he da, er wurde vertraulicher. Ich erfuhr, dass er vom Land Brandenburg angestellt sei und tatsächlich in seinem Revier jage. Auf die Frage, was er mit den erlegten Tieren mache, sagte er, er verkaufe sie. »Sie können von mir Rehfleisch kaufen mit Fell und Knochen.« Das wollte ich nicht, ich kann auch Fleisch und Fell nicht trennen.
Das Gespräch wurde immer angenehmer und lockerer. Als wir dann fragten, wie wir denn nun auseinandergehen sollten, gab er uns seine Visitenkarte mit der Bitte, im nächsten Jahr vorher anzurufen. Er fand  inzwischen witzig, dass zwei Berliner ins Grüne fahren, um seinen Wald zu plündern. Bezahlen brauchen wir jedenfalls  ab jetzt nichts mehr.

Der Platz vor der Sparkasse

Als der Oberbürgermeister der Stadt Hof 1982 die Bitte an den Berliner Senat herantrug, einen Platz, eine Straße oder einen Weg nach der fränkischen Stadt Hof zu benennen, berief er sich auf den Leserbrief eines Hofers, der in Berlin lebte.
Dieser Leser brachte sein Anliegen so auf den Punkt: »Durch die Situation der deutschen Teilung ist Hof fast zu einem Vorort Berlins geworden.« Und weiter: »Hof ist darüber hinaus auch die zweite Heimat des RIAS.« Tatsächlich machten viele WestBerliner in der Gegend um Hof im Frankenwald Urlaub, ebenso im nördlicher gelegenen Helmstedt.
Eine Helmstedter Straße befindet sich in Charlottenburg. Dieser Name wird nicht in Frage gestellt.
Allerdings ist selbst der Name »Platz der Stadt Hof« nie von den Neuköllnern angenommen worden. Es war immer der »Platz vor der Sparkasse«.
Eigentlich kann sich die BVV daher die Umbenennung in »Alfred-Scholz-Platz« sparen. Petra Roß