Umstrittene Straßennamen

Ulrich von Hassell – Nationalist und Widerstandskämpfer

Der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen hat ein Dossier erstellt, in dem er Straßennamen mit antisemitischem Bezug in den Blick nimmt. 18 davon befinden sich in Neukölln. Die Kiez und Kneipe stellt die Namensgeber vor.
Der Ulrich-von-Hassell-Weg, der von der Lipschitzallee abgeht, ist ein Beispiel dafür, dass die Zuordnung nicht immer einfach ist, weil die Namensgeber sich zum Beispiel einerseits antisemitisch geäußert haben, andererseits aber auch am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt waren.

Ulrich von Hassell vor dem Volksgerichtshof, 1944.     Foto: Bundesarchiv

Christian August Ulrich von Hassell, geboren am 12. November 1881 in Anklam, entstammte einem alten Adelsgeschlecht. Nach einem Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre trat er 1909 als Assessor in das Auswärtige Amt ein.
Im Ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet. Während der weiteren Dauer des Krieges fungierte er als Berater und Privatsekretär seines Schwiegervaters Alfred von Tirpitz, über den er nach dem Krieg eine Bio­graphie verfasste.
Im September 1917 war er Gründungsmitglied der Deutschen Vaterlandspartei, nach deren Auflösung trat er der Deutschnationalen Volkspartei bei, einer nationalkonservativen Partei, deren Programmatik Nationalismus, Antisemitismus, kaiserlich-monarchistischen Konservatismus sowie völkische Elemente enthielt. Er setzte sich für einen Neuaufbau des Staates in einem ständisch-konservativen Rahmen ein. Während des Kapp-Putsches 1920 war er von den Putschisten als Außenminister vorgesehen. In den folgenden Jahren kehrte er ins Auswärtige Amt zurück und wurde 1932 zum deutschen Botschafter in Italien ernannt.
Zum 1. November 1933 trat von Hassell in die NSDAP ein, doch bald widerstrebten ihm die Ziele des NS-Regimes. 1938 wurde er wegen seiner oppositionellen Haltung als Botschafter abberufen und engagierte sich in der bürgerlichen Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime um Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck. Für eine Übergangsregierung war er als Außenminister vorgesehen. Aus mehreren Tagebucheinträgen von Hassells geht hervor, dass er vom Holocaust wusste.
Nach dem gescheiterten Attentat Stauffenbergs vom 20. Juli 1944 blieb er in Berlin und erwartete die Verhaftung. Das Todesurteil, das der Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler nach zweitägiger Verhandlung am 8. September gegen ihn fällte, wurde noch am gleichen Tage vollstreckt.
Sassmannshausen empfiehlt Recherche, Kontextualisierung und gegebenenfalls eine Umbenennung.

mr