Neukölln ist toll!

Erol Özkaraca über seinen pulsierenden, archaischen Wahlkreis

Erol
Erol özkaraca.                                          Foto:fh

In Erol Özkaracas Büro in der Hermannstraße ist immer etwas los. Menschen kommen und gehen, und wer sich für ein Gespräch zu ihm setzt, der landet schnell beim »du«. Er möchte Klartext reden, »sagen, was ist«, nennt er das.
Das vermisst er gelegentlich in der Politik. Seit 2011 sitzt Erol Özkaraca für die SPD-Neukölln im Berliner Abgeordnetenhaus. Das Interesse für Politik regte sich bei ihm in seiner Jugend in Hamburg, wo er als Fußballer in der Jugendmannschaft des FC St.Pauli kickte. In der Türkei putschte sich das Militär an die Macht und verbot alle politischen Parteien. »Das machte mich wütend und ich wusste, dass es wichtig ist, sich politisch zu engagieren.«Später zog er nach Berlin und studierte an der Freien Universität Jura. Neukölln lernte er vor allem durch seine Arbeit als Rechtsanwalt kennen. Jahrelang betrieb er seine Kanzlei an der Briesestraße. »Da lernt man Neukölln von der Pike auf kennen«, so Özkaraca.
Dem Thema Recht ist der 52-Jährige treu geblieben. Im Rechtsausschuss beschäftigt er sich mit Fragen der Sicherungsverwahrung. Sie wird nach Strafverbüßung bei Personen angewendet, vor denen nach psychologischer Prognose die Allgemeinheit geschützt werden muss. Für die Verbesserung der Wohnbedingungen hinter Gittern hat sich Özkaraca eingesetzt. Während der letzten Legislaturperiode wurde ein neues Sicherungsverwahrungsgesetz und Strafvollzugsgesetz beschlossen. Özkaraca bezeichnet das als großen Schritt.
Um Berlin wirtschaftlich voranzubringen, engagiert sich Özkaraca dafür, Geschäftsbeziehungen zwischen Neukölln und Istanbul in die Wege zu leiten; wie zuletzt bei einer Reise mit dem »Verband Berliner Kaufleute und Industrieller« (VBKI).
In Neukölln sieht er zwei große Baustellen. Erstens: Bildung. Es müsse dafür gesorgt werden, dass alle Kinder und Jugendlichen Schulbildung erhalten. Daher begrüßt er auch den Zuzug bürgerlicher Familien nach Neukölln. Die gesellschaftliche Mischung, vor allem im Klassenzimmer, hält Erol Özkaraca für absolut unabdingbar. Zweitens: Wohnungen. Neukölln braucht mehr Wohnraum, der bezahlbar ist. Beim zweiten Thema wäre Neukölln seiner Meinung nach schon weiter, wenn der Volksentscheid über die Weiternutzung des Tempelhofer Feldes anders ausgegangen wäre. Erol Özkaraca warb dafür, mit »Nein« zu stimmen. Als Teil seines Engagements für die Mieter in Neukölln versteht Özkaraca auch seine Tätigkeit als Mitveranstalter der Mieterversammlung der Rollbergsiedlung von »Stadt und Land«. Was den Milieuschutz betrifft, ist er wenig hoffnungsvoll, dass der bei der Regulierung der Mietpreise irgendetwas bewirken kann.
Weiter beschäftigt den Abgeordneten die Integration in seinem Bezirk. Er wünscht sich für die Zukunft eine soziale Mischung und sieht die Entwicklung Deutschlands zu einem Einwanderungsland noch nicht als abgeschlossen an.
Neukölln bezeichnet Özkaraca als lebendigen, gegensätzlichen, in Teilen auch archaischen Bezirk, »voller toller Typen«, die sich engagieren, trotz der ganzen Schwierigkeiten – daher auch sein Credo »Neukölln ist toll!«
Das macht ihn auch besonders stolz auf seinen Bezirk: Das ungebrochene Engagement vieler Bürger. Es sei Aufgabe der Politik, Menschen zu motivieren, sich im gesellschaftlichen Prozess einzubringen und sich zu engagieren. »Geht in Parteien, beteiligt euch!«, so der charismatische Rechtsanwalt. Seine Aufgabe sieht Özkaraca dabei als »Brückenbauer«.
Wichtig sei, dass mehr Leute ihr Grundrecht wahrnehmen, wählen zu gehen.
Özkaraca selbst bezieht zunehmend auch in Integrationsdebatten Stellung, wie zuletzt für das Neutralitätsgebot des Staates in der Bildung und gegen das Kopftuch bei Lehrerinnen. Dabei kritisiert Özkaraca die Art und Weise, wie in Deutschland über Migration geredet wird: »Wir müssen mehr Mut haben, zu sagen, was ist und auf die Probleme hinweisen.« Ganz im Sinne Buschkowskys, den Özkaraca als Freund und Vorbild bezeichnet und dessen Verdienste für Neukölln er als wegweisend ansieht.
Bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl geht Erol Özkaraca auch wieder ins Rennen, nun steht jedoch erst mal das Verteilen der Butterbrotdosen an die frisch eingeschulten Neuköllner Schüler an.

fg