Gesprengte Geschichte

Die Britzer Sendetürme sind nicht mehr

Sendeturm Britz
Sendemast .                               Foto: rm

Der »Rundfunk im Amerikanischen Sektor«, kurz RIAS Berlin, besaß in Berlin Britz und Hof hohe, leistungsstarke Sendetürme. Die Amerikanische Militäradministration gründete den Sender 1946 als Gegenpol zum damals sowjetisch kontrollierten Berliner Rundfunk. Da sich RIAS Berlin als unabhängige Informationsquelle im geteilten Deutschland verstand, wurde stetig seine Sendeleistung verstärkt, damit er nicht nur in Gesamtberlin, sondern auch in der DDR gehört werden konnte. In Britz gab es kein Telefon-gespräch ohne den RIAS im Hintergrund.
Seine Hörfunkprogramme haben nicht nur mein damaliges Rundfunkleben begleitet. Onkel Tobias, die Insulaner, Hans Rosenthal, Lord Knud, Friedrich Luft und viele mehr, prägten ganze Westberliner Nachkriegsgenerationen. Seitens der DDR wurden sämtliche Sendungen als vorsätzliche Einmischung und böswillige Propaganda attackiert. Karl-Eduard von Schnitzler, Chefideologe der DDR und Moderator des »Schwarzen Kanals«, wetterte regelmäßig gegen den RIAS, auch mit Kalauern wie: »Lügen haben kurze Beine, der RIAS hat besonders kleine« oder »Der RIAS lügt, die Wahrheit siegt«.Mit der Wiedervereinigung wurde der RIAS, die selbsternannte »freie Stimme der freien Welt«, abgewickelt. Ein Teil wurde der Vorläufer des heutigen Deutschlandradios. So verschwand auch das jeden Mittag um 12 Uhr mit dem Freiheitsgelöbnis zusammen gesendete Geläut der Freiheitsglocke vom Rathaus Schöneberg aus dem täglichen Rundfunkprogramm.
Nur die beiden weithin sichtbaren Sendetürme gehörten weiterhin zum Britzer Stadtbild. Der einst stärkste Mittelwellensender Europas stellte allmählich seinen Betrieb ein. Der Sendebetrieb sei, so die Betreiber, der veralteten Sendetechnik wegen zu kostspielig.
2012 wurde der erste Turm demontiert. Der letzte, immerhin 160 Meter hohe Turm, wurde am 18. Juli 2015, nach 65 Jahren Betrieb, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, gesprengt. Der frühere Bezirksbürgermeister Buschkowski nannte in der »BILD« den Grund für den Abriss: Geldgier und bedauerte den schwachen Widerstand dagegen seitens der Berliner. Mit dem letzten Sendemast in Britz verschwand ein Stück weithin sichtbarer Westberliner Geschichte.

rm