Archiv der Kategorie: Kultur

Stürzen, modifizieren oder behalten

Wie geht es weiter mit dem Jahndenkmal in der Hasenheide?

Im Juni 1811 errichtete Friedrich Ludwig Jahn in der Berliner Hasenheide einen ersten öffentlichen Turnplatz zur körperlichen Ertüchtigung der männlichen Jugend. Seine Aktivitäten führten zur Gründung vieler Turnvereine in ganz Deutschland. Jahn ist wegen nationalistischer und antisemitischer Äußerungen umstritten.
Der »Turnvater« verbinde Widersprüchlichkeit und manchmal Widerwärtigkeit. Über den richtigen Umgang mit der Erinnerung an eine solche Persönlichkeit und was das für den Umgang mit dem Jahndenkmal in der Hasenheide bedeutet, sprach Matthias Henkel, Leiter des Museums Neukölln, mit seinen Gästen bei einer Podiumsdiskussion am 9. April.

Versuch einer Modifizierung.   Foto: mr

An Jahn möge sie überhaupt nichts, sagte Claudia von Gélieu vom Neuköllner Frauennetzwerk. Sie wies auf seine Frauenfeindlichkeit, seinen Antisemitismus und seine völkische Gesinnung hin und forderte, das Denkmal abzubauen als ein Zeichen der Abkehr von dieser Gesinnung. Stürzen, modifizieren oder behalten weiterlesen

Preis der Lutherstädte

Heinz Ostermann engagiert sich für die freie Gesellschaft

Heinz-Jürgen Ostermann. Foto: Stephanus Paarmann

Mit dem Preis der Lutherstädte »Das unerschrockene Wort« wurden am 28. März in Augsburg Heinz J. Ostermann, Buchhändler in Neukölln, und Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar, für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet.
Der Jury war bei der Entscheidung wichtig, dieses Engagement auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen zu stärken. Beide Preisträger stehen dabei nach dem Vorbild Martin Luthers dafür ein, ihre Überzeugungen auch gegen Widerstände zu verteidigen.
Nach dem Einzug der AfD ins Berliner Abgeordnetenhaus positionierte sich Heinz J. Ostermann zusammen mit anderen unabhängigen Neuköllner Buchhandlungen im Rahmen kritischer Diskussionsveranstaltungen gegen den aufkommenden Rechtspopulismus. Preis der Lutherstädte weiterlesen

Chronik des Dorfes und Neuköllner Ortsteils Britz

Teil 1: 1237 – 1699

Der Ortsteil Britz feiert in diesem Jahr seinen 650. Geburtstag. Die Kiez und Kneipe wird in den kommenden Ausgaben eine Chronik der Geschichte vorstellen.
Britz war immer ein freundlicher Siedlungsort, bestehend aus zwei Teilen einer Grundmoränenfläche des Teltow. Westlich der heutigen Buschkrugallee finden sich Geschiebemergel (guter Ackerboden), Kies (Baumaterial), Findlinge, Pfuhle (Wasser!) und östlich davon Sümpfe.

Britz im 14. Jahrhundert.

1237 erstes schriftliches Zeugnis eines Tempeldorfes »Britzig« (Britz) auf dem Teltow.
1375 Das Landbuch Kaiser Karls IV. erwähnt Britz. Dieses Jahr gilt nun als Gründungsjahr. Es gab damals vier Rittergüter.
1416 Heine der Ältere, Heine der Jüngere und Otto von Britzke sind Besitzer von Britz und seinen Feldern. Chronik des Dorfes und Neuköllner Ortsteils Britz weiterlesen

Niemals wieder

Deutsch-tschechische Wanderausstellung

Evangelische Glaubensflüchtlinge aus Horní Čermná gründeten 1737 das böhmische Dorf in Rixdorf, das mit Deutsch-Rixdorf zum Bezirk Neukölln geworden ist. Bereits 1989 wurde eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Ústí nad Orlicí begründet und seit dem 8. September 2005 besteht die Partnerschaft zwischen Prag 5 (Smíchov) und Neukölln.


Inspiriert von einem Foto mit Kirchenglocken, die im Protektorat Böhmen und Mähren abge­hangen wurden, um sie für Kanonen einzuschmelzen, entstand die Idee zu einer tschechisch-deutschen Gemeinschaftsausstellung aus Anlass des Endes des 2. Weltkriegs vor 80 Jahren. Dabei sollen vor allem Orte aus der Nachbarschaft aufgezeigt werden, an denen im Alltag vorbeigegangen wird und die doch an das Leid und Elend von Diktatur und Krieg erinnern. Niemals wieder weiterlesen

Menschlichkeit statt Krieg

Biografie eines bedeutenden Sozialisten

Der französische Sozialist Jean Jaurès wurde 1859 geboren und 1914 ermordet. Er ist in Frankreich bis heute berühmt, zahlreiche Gebäude und Straßen sind nach dem als »Volkstribun« bezeichneten Politiker und Historiker benannt.
Seine politische Arbeit als Mitglied der Nationalversammlung begann er als Mitglied der Republikanischen Partei  und wandte sich früh dem Sozialismus zu.
Dabei setzte er zwei Schwerpunkte: erst die Republik, dann der Sozialismus. In der Form der Republik, wie die französische Revolution sie hervorgebracht hat, sah Jean Jaurès die beste Möglichkeit, den Kampf für eine freie sozialistische Gesellschaft zu führen.
In dem Rahmen sprach Jaurès davon, dass ein Übergang zum Sozialismus nur als »evolutionäre Revolution« möglich sei. Voraussetzung bleibt dabei die Veränderung der Besitzverhältnisse zu Gunsten »des vierten Standes«, der Arbeiterklasse. Menschlichkeit statt Krieg weiterlesen

Sprachcafé als Ort der Begegnung

Eine handschriftliche Ausstellung der besonderen Art

Die Welt klingt mit in der Ausstellung im Sprachcafé, die sich an der Wand entlang des barrierefreien Aufganges zum Kinder- und Jugendbereich befindet.


Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern haben handschriftliche Texte zu Papier gebracht. Einmal in ihrer Muttersprache, einmal auf Deutsch. So erhält der Betrachter in der »Helene Nathan Bibliothek« einen zweifachen Eindruck. Zum einen ist die Schönheit der Muttersprachen zu sehen, zum anderen das Bemühen, dieselbe Aussage in die deutsche Sprache zu gießen. Bei der Vernissage kam das auch zum Klingen. Zunächst wurden Texte in der Muttersprache vorgetragen, dann auf Deutsch. Schließlich wurde im Raum des Sprachcafés an vier vollbesetzten Tischen lebendig geredet.
Die Kommunikation ist auf Deutsch, wie immer im Sprachcafé. Das, was in diesem besonderen Café bei jedem Treffen geleistet wird, war auch bei der Vernissage zu erleben. Sprachcafé als Ort der Begegnung weiterlesen

Semra Ertan

»Mein Name ist Ausländer«

Mit ihrem Gedichtband »Mein Name ist Ausländer« setzte Semra Ertan ein kraftvolles Zeichen gegen Ausgrenzung und Alltagsrassismus. Die 1956 in der Türkei geborene Autorin lebte seit ihrem zwölften Lebensjahr in Deutschland. In über 350 Gedichten thematisierte sie ihre Erfahrungen als Tochter von sogenannten »Gastarbeitern«.
Semra Ertan versuchte mit ihrem Schreiben, einen Funken Menschlichkeit in den Menschen zu wecken. Migranten, die nach Deutschland kommen, tragen oft eine schwere Last – verlorene Erinnerungen, Einsamkeit, das Gefühl, fremd zu sein. Semra Ertan weiterlesen

Neuköllner Puppentheater-Museum vor dem Aus

Mit Kasper, Hexen und Teufel ins Märchenland.  Foto: mr

Jetzt kann nur noch ein Wunder helfen

Seit 30 Jahren können große und kleine Puppenliebhaber märchenhafte Stunden mit Kasper, Zauberern, Rittern, Edelfrauen, Clowns, Hexen und Teufeln im Puppentheater-Museum in der Karl-Marx-Straße verbringen. Zahllose Handpuppen, Stabfiguren und Marionetten aus aller Welt – darunter auch echte Raritäten – sind hier versammelt. Mehr als 500 Theaterpuppen aus verschiedenen Epochen und Ländern hat der 2018 verstorbene Künstler Nikolaus Hein hier zusammengetragen.
Das Museum ist aber nicht nur ein Ausstellungsort, sondern auch ein Aufführungs- und Mitmachort. Auf einer kleinen Bühne werden regelmäßig Theaterstücke für Kinder und Erwachsene aufgeführt, die von unterschiedlichen Künstlern verantwortet werden. Neuköllner Puppentheater-Museum vor dem Aus weiterlesen

In Rudow ist Musike

Empfehlung von Fred Haase

Die Alte Dorfschule Rudow ist seit mehr als 20 Jahren eine feste Größe im Kulturbetrieb. Das 1890 errichtete Gebäude ist Berlins zweitältester erhaltener Schulbau im neugotischen Stil. Im Frühjahr 2001 endete der reguläre Schulbetrieb; es begann ein neuer Abschnitt für das geschichtsträchtige Bauwerk.

Alte Dorfschule.Foto: Fred Haase

Die Räumlichkeiten werden von dem ehrenamtlich arbeitenden Verein »Alte Dorfschule Rudow e.V.«, der Volkshochschule, der Musikschule und dem Rudower Heimatverein, der in der ehemaligen Turnhalle seine Ausstellungen zeigt und historische Vorträge organisiert, genutzt.
Die Angebote durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter bieten eine große Vielfalt an kulturellen Aktivitäten und sind Garant für abwechslungsreiche Stunden. Klassik, Blues, Folk, Chanson werden mehrmals im Monat durch wunderbare Konzerte mit tollen Musikern geboten. Es gibt auch zwei bis drei große Open-Air-Konzerte im Hof der Dorfschule. Bei Kindern und Eltern sind die Veranstaltungen mit Kindertheater, Puppenspieler oder Zauberer an Sonntagnachmittagen sehr beliebt. In Rudow ist Musike weiterlesen

Neukölln-tschechische Erinnerung

Eine neue Wanderausstellung braucht Unterstützung

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Aus diesem Anlass wollen »Komed e.V« (Strohballrollen-Organisatoren) und die »Freunde Neuköllns« zusammen mit den tschechischen Partnerstädten von Neukölln (Prag-5 und Usti nad Orlici) eine Wanderausstellung erstellen, die sich auf historische Orte fokussiert, an denen wir im Alltag vorbeigehen. In Neukölln sind das unter anderem das 1945 gesprengte Karstadt-Gebäude, das Frauen-KZ in der Sonnenallee oder das kirchliche »Friedhofslager« an der Hermannstraße. In Prag wurden 9.801 Kirchenglocken aus Böhmen und Mähren gesammelt, um sie zu Kanonen einzuschmelzen. Begleitet wird die Ausstellung von Begegnungen aus beiden Ländern.

Symbolbild

Zur Ko-Finanzierung wurde bei der Volksbank eine Crowdfunding-Aktion gestartet, bei der die Bank jede Spende verdoppelt. Auf diese Weise sollen 5.000 Euro durch 50 Personen bis zum 16. März zusammenkommen.
Jetzt ist die geneigte Leserschaft gefragt, denn es fehlen noch etliche Leute, die das Projekt unterstützen.
Und so geht’s: Auf www.viele-schaffen-mehr.de/Projekte/Übersicht, nach »Niemals wieder!« suchen und spenden.
Jeder einzelne Euro zählt.

pm

Aus allen Wolken fallen

Miriam Höllers Kampf zurück ins Leben

Der Titel des Buches klingt zunächst missverständlich. Bei der Lektüre des Werkes wird aber von Anfang an klar, dass Miriam Höller nicht für Ungerechtigkeit plädiert, sondern dafür, die Gestaltung des Lebens aktiv und positiv in die eigenen Hände zu nehmen. Sie erzählt ihre eigene Geschichte und verbindet das mit reflektierenden und ermutigenden Ratschlägen.
Das Buch liest sich spannend wie ein Bildungsroman
Ihr berufliches und privates Leben kleidet sie traumhaft aus, als Realität harter Arbeit. Mit Achtzehn gelingt ihr der internationale Durchbruch als Stuntfrau, sie sieht sich dabei als »die eigentliche Heldin«. Obwohl sie als blonde Frau einmeterachtzig groß ist, etabliert sie sich auf Anhieb als »Die Frau mit den Feuerflügeln« und kreiert ihre eigene Mode. Dann passiert bei einem Fotoshooting für Damenunterwäsche ihr schwerer Unfall. Sie stürzt ab und und bricht sich beide Füße. Einige Monate später stürzt ihr Lebensgefährte, der österreichische Air Race Pilot Hannes, mit dem Hubschrauber tödlich ab. Schwere Trauer und Depression folgen. Und der Wendepunkt kommt.
Miriam Höller arbeitet an ihrer körperlichen Genesung, doch ebenso intensiv an ihrer mentalen Heilung aus dem tiefen Loch der Depression. Aus allen Wolken fallen weiterlesen

Frauenpower in der Kunst

Neuköllner Kunstpreis setzt Zeichen für Anerkennung

In einer feierlichen Zeremonie im Heimathafen Neukölln wurde am 14. Februar der Neuköllner Kunstpreis vergeben. Mit diesem Preis würdigt der Fachbereich Kultur in Kooperation mit dem Kulturnetzwerk Neukölln e.V. und der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH seit 1917 die herausragende Kunstproduktion in Neukölln.

Die Siegerinnen Asako Shiroki, Rita Adib, Ida Lawrence.    Foto: mr

Aus rund 100 Bewerbungen von Künstlern, die in Neukölln leben oder arbeiten, hat die fünfköpfige Fachjury insgesamt acht Künstlerinnen nominiert. Das Besondere in diesem Jahr: Es wurden ausschließlich Frauen ausgewählt, ein bedeutendes Zeichen für die Anerkennung und Förderung weiblicher Kunstschaffender. Frauenpower in der Kunst weiterlesen

»Neo-Pastorale«

Flora und Fauna sind nicht nur romantisch

Im Eingangsraum zur aktuellen Ausstellung »Neo-Pastorale« im Kunstverein Neukölln fällt sofort eine große Installation von Heiko Sievers auf. Ein überdimensionierter Regenwurm hängt an einem Haken, gehalten durch einen Gummiring. Er erreicht einen pyramidenförmigen Haufen schwarzer Erde nicht, Erde, in der er einst gewühlt haben mag. Es mutet an, als hinge er an einem Fleischerhaken.

Romantisches von Marte Kiessling.Foto: pr

Rechts an den Wänden geht es farbig zu. An zwei Wänden ist die zärtliche Collage von Marte Kiessling zu sehen, eine bunte Pflanzenwelt, niedlich anmutend. Allerdings hat die Künstlerin die Collage aus Plastikabfällen geformt. Können Menschen vielleicht auch ihre Schäferstündchen in künstlicher Natur abhalten, so die Frage. »Neo-Pastorale« weiterlesen

Neuköllner Zeitreise

Friedhöfe als Spiegel der Geschichte

2025 ist das Jahr der Britzer Jubiläen. Im Rahmen der »650 Jahre Britz« gibt es eine Vielzahl von erinnerungswürdigen Ereignissen. In diesem Rahmen stehen die Führungen der 15. Neuköllner Zeitreise über die Britzer Friedhöfe. An dieser Stelle soll die Aufmerksamkeit auf dem Friedhof an der Buschkrugallee liegen.

Friedhof Buschkrugallee.   Foto: Werner Schmidt

1875 wurde der Friedhof angelegt. Notwendig wurde der Schritt durch das starke Bevölkerungswachstum von Rixdorf, das auf dem Weg von einem verschlafenen Bauerndorf zu einer Großstadt war. Das führte unweigerlich zu der Anlage eines neuen Friedhofs. Der Friedhof an der Kirchhofstraße reichte nicht mehr aus. Da die Grundstückspreise innerhalb der Rixdorfer Gemarkung zu hoch waren, entschied sich die Rixdorfer Gemeinde-Vertretung zum Erwerb eines Grundstücks in Britz. Diese Entscheidung wurde konträr diskutiert, weil die Entfernung kritisiert wurde. Neuköllner Zeitreise weiterlesen

Rosl Persson – Eine Rixdorfer Turnerin

Ein Vortrag von Bärbel Ruben mit vielen Bildern

Mit dieser Veranstaltung wirft das Museum Neukölln ein Schlaglicht auf die Emanzipation der Frauen durch Sport und setzt eine bewusste Gegenposition zur paternalistischen Turntradition im Geiste Friedrich Ludwig Jahns.

Rosl und Tom, Ende der 1920er-Jahre.    Foto: Museum Neukölln

In Rosl Persson (1908-2010) verkörperte sich exemplarisch ein ganzes Jahrhundert. Ihr ereignisreiches Leben, das sie mit Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit gestaltete und in vollen Zügen genossen hat, spiegelte progressive Strömungen mehrerer Epochen wider.
Die frühe Kindheit fiel noch in die Kaiserzeit; der Beginn ihrer Schulzeit stand im Schatten des Ersten Weltkrieges. Schon hier scherte Rosl aus und missachtete vorherrschende gesellschaftliche Konventionen. Unterstützt durch ihre Eltern erlernte sie mit sechs Jahren das Schwimmen, brach als junges Mädchen mit der Kirche und wählte die Jugendweihe. Früh wandte sie sich einer klassenbewussten Arbeiterkultur zu und besuchte entsprechende Vortragsabende, die ihr in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und politischer Richtungskämpfe Orientierung vermittelten. Auf dem Gebiet der Gymnastik, Freikörperkultur und Sexualität beeinflussten Adolf Koch und Magnus Hirschfeld das Denken und Handeln von Rosl Persson. Rosl Persson – Eine Rixdorfer Turnerin weiterlesen

Dekolonialisierung ist konkret

Walter Rodney analysiert die Ursachen der Unterentwicklung

Walter Rodney wurde 1942 in der damaligen britischen Kolonie Guayana geboren und wurde 1980 dort bei einem Sprengstoffattentat ermordet.
Er war eine führende Kraft in der panafrikanischen Bewegung, der Black Power, und gründete die »Working Peoples Alliance«. Das Wort »Rasse« benutzt er kaum und nur in Anführungsstrichen. Er verwendet das Wort »Klassen« und analysiert die Bedeutung der Arbeit als Ursprung allen Reichtums und als Objekt der Ausbeutung  im Gegenteil zum Finanzkapital, das überwiegend in den Händen weißer Menschen liegt, im Weltmaßstab gesehen. Dekolonialisierung ist konkret weiterlesen

Über Mut – Rita Süssmuth

Anstoß für positive Veränderung

Rita Süssmuth stößt wieder an. Anstoßen heißt für sie, Veränderungen zum Positiven zu bewirken, und dazu den Mut aufzubringen, Hindernissen zu begegnen. In ihrem aktuellen Buch »Über Mut« spricht sie wieder deutliche Worte, wohl zum letzten Mal, wie sie selbst sagt. Noch einmal setzt sie sich für einen vernünftigen und demokratischen Konsens aller demokratischen Menschen und Parteien ein.
Rita Süssmuth wurde 1937 geboren als Tochter einer christlich humanistischen Familie und wuchs im Bombenhagel auf. Nicht nur in ihrer Familie hieß es danach »Nie wieder Krieg«. Die Angst lernte sie als Kind im Krieg kennen. Ihr kann nur aktiv als Mut begegnet werden. Und den Mut dazu zeigt sie bis heute. Über Mut – Rita Süssmuth weiterlesen

Diplomatie als Herausforderung

Sind friedliche Lösungen für Kriege noch möglich?

Es gehört Mut und Hoffnung dazu, Worte statt Waffen einzufordern und die Diplomatie als Priorität auf die Tagesordnung zu setzen. Jan van Aken hat diesen Mut.
Der 1961 geborene Autor und promovierte Biologe beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit Themen der Außenpolitik und des Friedens. Er arbeitete unter anderem für Greenpeace und als Biowaffeninspekteur der UN.
Seine Bestandsaufnahme von Krieg- und Friedens­prozessen greift Bürgerkriege ebenso auf wie den Ukrainekrieg und den Nahostkonflikt. Illusionen schürt er dabei nicht, wohl aber die Hoffnung auf Wege aus der eskalierenden Gewalt.
Der Nordirlandkonflikt dient Jan van Aken als Vorbild für einen Friedensprozess nach mehr als zwanzig Jahren blutigem Bürgerkrieg. Drei Faktoren spielen dabei eine Rolle: der Wille der verfeindeten paramilitärischen Organisationen IRA und UVF, die Waffen abzugeben, dazu deutliche Verbesserungen in der sozialen und politischen Stellung der katholischen Bevölkerung.Außerdem der Druck durch die britische und irische Regierung und das diplomatische Engagement der USA, die aktiv eingriff. Ein in jeder Hinsicht herausragender Faktor ist die Teilnahme von Frauen an den Verhandlungen und am Friedensprozess. Diplomatie als Herausforderung weiterlesen

Der Himmel so weit

Willi Buesing fängt die Magie des Feldes ein

Der Neuköllner Maler Willi Buesing hat dem Tempelhofer Feld einen Bilderzyklus gewidmet, mit dem Titel »Wo der Himmel so weit ist«. Zu sehen war die Ausstellung komplett im Juni in Haus 104 auf dem Feld und im Oktober im Atelier, wo die Malerei weiter erlebbar  ist.
Der Künstler wohnt und arbeitet in der Nähe des Feldes, auf dem er regelmäßig ist. Der Titel kann zunächst als Anspielung auf den Begriff »Wiesenmeer« gesehen werden, doch er beinhaltet weitaus mehr.

Licht und Schatten.       Willi Buesing

Von der Botschaft her greift Willi Buesing das Gefühl auf, das jeder Mensch kennt, der das Feld betritt. Es hat nicht nur eine bewegte Geschichte, es hat mehr als ein Volksgesetz, das vor Bebauung schützt, und mehr als eine Weite, in der sich am anderen Ende des Feldes  ein Horizont zu bilden scheint. Das Tempelhofer Feld hat Magie. Der Himmel so weit weiterlesen

»Do you feel me now?« in der Galerie im Saalbau

Frauenbilder, gesellschaftlicher Druck und das endlose Streben nach Perfektion

»Do you feel me now?« ist eine Zeile aus Britney Spears‘ Song »Toxic«. Die Künstlerin, die im Zentrum eines voyeuristischen Mediensystems stand, steht als symbolische Figur im Mittelpunkt der Ausstellung von Julie Legouez, Evelina Reiter und Shona Stark in der Galerie im Saalbau. Sie verkörpert die vielschichtigen Aspekte der weiblichen Darstellung in einer Welt, in der Medien und Öffentlichkeit maßgeblich beeinflussen, wie Frauen wahrgenommen werden.

Die kritische innere Stimme. Foto: mr

»Do you feel me now?« in der Galerie im Saalbau weiterlesen

Mitmachen, Mitfeiern, Mitgestalten

Aufruf zum Festival »650 Jahre Britz«

Die halbe Welt kennt Neukölln – aber wer kennt Britz? Immerhin 44.000mal würden wir bei dieser Frage »Ich, Ich, Ich!« hören… denn so viele Menschen leben in Britz – dem Stadtteil von Neukölln, der im Jahr 2025 seinen 650. Geburtstag feiert. Grund dafür ist die erste Erwähnung des Ortes Britz im Landbuch Kaiser Karls IV. im Jahre 1375. Und da das Feiern gemeinsam mehr Freude macht, möchten wir mit diesem Aufruf zur aktiven Teilnahme ermutigen.

Der Gutshof – heute Kulturzentrum.   Foto: mr

Erst auf den zweiten Blick entdeckt man in Britz zahlreiche bedeutende Denkmale, Kultur- und Naturstätten. Weltruhm hat unter den verschiedenen Großsiedlungen die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Hufeisensiedlung. Viele kennen zudem den Britzer Garten mit seiner Holländerwindmühle, in der man sich »vermehlen« lassen kann. Doch wer weiß schon, dass in Britz heute wieder Wein angebaut wird und ein Hindutempel neben einem ehemaligen Krankenhaus das Stadtbild quietschbunt einfärbt? Mitmachen, Mitfeiern, Mitgestalten weiterlesen

Von Moosen und Menschen

Ausstellung in der »Galerie im Körnerpark« untersucht die Beziehung von Mensch und Umwelt

Der Mensch vergisst gerne, dass er abhängig ist von seiner Umwelt, ein Lebewesen, das mit anderen in einem Geflecht unendlich vieler Netzwerke verbunden ist. Daran zu erinnern ist die Ausstellung »Every Single Thing That Exists In This Infinite Universe Is Either…« angetreten, die bis zum 26. Februar in der »Galerie im Körnerpark« zu sehen ist.
Die Ausstellung nimmt die Beziehung von Menschen zur natürlichen Umwelt und weiteren Organismen in den Blick. Acht internationale Künstler untersuchen die Stellung des Menschen in der Biosphäre der Erde und wie unsere Neigung, die Welt in binäre Kategorien einzuteilen, unser Verständnis der Beziehungen zwischen den Arten einschränkt.

Hier lässt sich Waldduft erschnüffeln. Foto: mr

Unterschiedliche Perspektiven auf die Verflechtungen des Menschen mit anderen lebenden und nicht lebenden Wesen werden vorgestellt, die zu einem Diskurs über biokulturelle Vielfalt beitragen. Von Moosen und Menschen weiterlesen

Neue Ideen für die Umgestaltung des »Herero-Steins«

Zukünftig sollen die Opfer des Genozids im Zentrum des Gedenkens stehen

Seit vielen Jahren wird gegen ein Gedenkensemble auf dem Friedhof am Columbiadamm protestiert, das an die deutschen Kolonialkriege in Namibia erinnert.

So soll es nicht mehr aussehen.    Foto: mr

Als die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Januar letzten Jahres den Beschluss fasste, das Bezirksamt mit der Umgestaltung dieses Ensembles zu beauftragen, hatte sie eigentlich die Entfernung des Steins im Sinn, um »dem Gedenken an die Täter endlich ein Ende zu setzen«, wie es in der Begründung des Antrages heißt.
Auf diesen Beschluss hat das Museum Neukölln mit der Ausstellung »Buried Memories «, reagiert, die ein Dreivierteljahr gezeigt wurde. In einem intensiven Dialog mit der Zivilgesellschaft, an dem auch Aktivisten und Künstler aus Namibia teilnahmen, wurde ein Konzept erarbeitet für den zukünftigen »Umgang mit widerstreitenden Erinnerungskulturen, die sich an dem Stein abarbeiten«, wie es Museumsdirektor Matthias Henkel bei der Vorstellung des Ergebnisses im Ausschuss für Bildung, Schule und Kultur am 3. September formulierte. Neue Ideen für die Umgestaltung des »Herero-Steins« weiterlesen

»Denk Mal Jahn«

Das Museum Neukölln wirft einen neuen Blick auf das Denkmal in der Hasenheide

Nach dem »Hererostein« nimmt das Museum Neukölln ein weiteres umstrittenes Denkmal in den Blick. »Denk Mal Jahn« heißt die neue Ausstellung, die bis zum 9. Mai 2025 läuft.

Kann das weg ?      Foto: mr

Ein Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung aus dem Jahr 2023 stellt das Denkmal, das 1872 in der Hasenheide zu Ehren des »Turnvaters« errichtet wurde, grundsätzlich in Frage. Auch eine komplette Entfernung dürfe kein Tabu sein. In der Begründung heißt es: »Mit Friedrich Jahn wird an herausragender Stelle im öffentlichen Raum ein Antisemit, Nationalist, Antidemokrat, Militarist und Antifeminist geehrt.«
Museumsdirektor Matthias Henkel warb für eine etwas differenziertere Herangehensweise. Jahn war ein Kind seiner Zeit, erklärte er, geprägt durch die napoleonischen Kriege und die französische Besatzung, die beginnende Industrialisierung und den Kampf um die Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands, der in der Revolution von 1848 gipfelte. »Denk Mal Jahn« weiterlesen

Missverständnisse um Körnerpark-Mucke?

Immer wieder sonntags.   Foto: mr

Musikliebhaber fürchten um den Fortbestand von »Sommer im Park«

»Sommer im Park« ist eine Konzertreihe, die jeden Sommer, und das seit 35 Jahren, sonntags im Körnerpark, veranstaltet vom Bezirksamt Neukölln, stattfindet. Ab 18 Uhr treffen sich Kiez­bewohner aller Couleur, von den Kleinsten bis zum Rentner, von arm bis reich. Es ist ein Ort, an dem alle zusammentreffen, ein fröhliches Sonntags-Musikfest, den ganzen Sommer lang. Es wird kein Eintritt bezahlt und um Spenden wird auch nicht gebeten, also umsonst und draußen.
In diesem Jahr wurden insgesamt etwa 300 Zuschauer pro Veranstaltung gezählt. Es wurden nahezu alle Musikrichtungen präsentiert. Die Musiker sind stets gut gewählt und von hoher Qualität. Missverständnisse um Körnerpark-Mucke? weiterlesen

Rabenvögel – Kulturfolger mit schlechtem Image

Ausstellung »Corvidae« beim »Kunstverein Neukölln

In einer dreiteiligen Ausstellungsreihe widmet sich der »Kunstverein Neukölln« der Tierwelt. Nach den Insekten und dem Rotfuchs geht es in der dritten und letzten Ausstellung um »Corvidae«, die Rabenvögel und ihrer ambivalenten Rolle in vielen Kulturen. Einerseits wird ihre Intelligenz und Sprachbegabung bewundert, ihnen wird Weisheit und Gewitztheit unterstellt. Der germanische Gott Odin, Gott der Weisheit, konnte sich gelegentlich in einen Raben verwandeln. Außerdem begleiteten ihn immer zwei Raben, die er ausschickte, um zu erfahren, was in der Welt Wichtiges geschah.

Unheil im Anflug.    Foto: mr

Andererseits wurden sie als angebliche Unheilsbringer und Schädlinge verfolgt. Ihr schlechtes Image haben sie vor allem von ihrer Neigung Aas zu fressen. Im Mittelalter brachte ihnen ihre Angewohnheit, sich am Fleisch gehenkter Zeitgenossen gütlich zu tun, den Namen »Galgenvogel« ein. Das Auftauchen großer Schwärme galt bald als Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz. Rabenvögel – Kulturfolger mit schlechtem Image weiterlesen

Geschlechtsidentität und gesellschaftliche Normen

»A man of many parts« in der Galerie im Saalbau

Aus wie vielen Teilen besteht ein Mensch? Der brasilianische Künstler Jota Kayodê Ramos setzt sich in der Ausstellung »A man of many parts« in der »Galerie im Saalbau« mit Geschlechtsidentität und gesellschaftlichen Normen aus Sicht eines transsexuellen Schwarzen Menschen auseinander.

Jota Kayodê Ramos performt.    Foto: mr

Der Künstler selber verortet sich als »BIPoC trans*Person« mit vielen Identitäten. »PoC« – »People of Color« – umfasst alle nicht-weißen ethnischen Gruppen. Die Zusätze »B« und »I« für »Black« und »Indigenous« betonen die besonders schwerwiegenden Formen der Diskriminierung von Schwarzen und Indigenen. Geschlechtsidentität und gesellschaftliche Normen weiterlesen

Zwischen Agenten und Fluchthelfern

Zwischen Agenten und Fluchthelfern

Der achtzehnjährige Çetin kommt aus Istanbul nach Berlin, um sich dort auf das Studium der Elektrotechnik vorzubereiten und damit schließlich zu beginnen. Sein drei Jahre älterer Bruder Can lebt schon als Student in Berlin. Der studiert nicht nur, sondern führt zusammen mit einem türkischen Freund ein gutes Café- und Liebesleben, und das in Ostberlin zu Zeiten der Mauer.
Çetin teilt sich im Wedding eine Einzimmerwohnung ohne Bad mit seinem Bruder. Gleichzeitig besucht er seine Tante und seinen Onkel, die als »Gastarbeiter« gekommen sind und in Neukölln eine Wohnung mit Bad und WC bewohnen.
Sein Bruder Can und schließlich auch Çetin und Cans Freund Erkan reisen regelmäßig mit Cans rotem VW Käfer nach Ostberlin, zum Tanz und um Frauen kennenzulernen. In Westberlin begegnen sie eher Ablehnung statt Partnerschaft. Çetin hält sich bei den Kontakten zu Frauen zurück. Dennoch nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Schließlich gelingt sowohl Erkans Freundin Sabine und später auch Cans Freundin Birgit die Flucht mit der Hilfe von Fluchthelfern. Die geben als Bedingung, neben hoher Zahlungen in D-Mark, aus: »Schweigepflicht ist bei uns wichtiger als das katholische Beichtgeheimnis.« Zwischen Agenten und Fluchthelfern weiterlesen

Leben als neues Versprechen

»Öffentlicher Luxus« rückt in die politische Diskussion

Öffentlicher Luxus klingt zunächst nach Geldverschwendung. Das Gegenteil ist gemeint. Der Begriff stammt aus dem Englischen. Er umschreibt ein komplettes Programm, um alle wichtigen sozialen Aufgaben in die Hände einer demokratischen Öffentlichkeit zu geben, im Kern durch Vergesellschaftung aller wichtigen Aufgaben und Infrastrukturen. Ja, es handelt sich von der Zielsetzung her insgesamt noch um eine (utopische) Vision, gegliedert nach den Bereichen, die immer noch von kapitalistischer Profitlogik durchzogen sind. Antikapitalistisch ist es also. Das besondere dabei: Es wird nicht von Begriffen wie Sozialismus Gebrauch gemacht, auch wenn Bezüge auf Marx und Engels stellenweise vorkommen. Leben als neues Versprechen weiterlesen

Dabei sein wäre alles

Eine neue Geschichte des Sports

»Dabei sein ist alles« lautet das Motto der Olympischen Spiele, bei denen sich die »Jugend der Welt« zum sportlichen Wettstreit treffen soll. Das galt aber nie für alle, denn die Geschichte des Sports ist auch eine Geschichte der Ausgrenzung vieler gesellschaftlicher Gruppen. Die Regeln machte eine weiße männliche Elite, die unter sich bleiben wollte.
In seinem neuesten Buch mit dem programmatischen Titel »Dabei sein wäre alles«, das der Politikwissenschaftler, Journalist und Publizist Martin Krauss am 13. Juni in der Helene-Nathan-Bibliothek vorstellte, richtet er seinen Blick auf die Sportler, die nicht in dieses Schema passen, wie Arbeiter, Frauen, ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderung oder Queere. Er beschreibt ihre Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung, aber auch alternative Sportkonzepte wie die Arbeitersportbewegung, die Gay Games, die jüdische Sportbewegung, Frauensport oder den Parasport, die als Antwort auf den Ausschluss der Sportler aus den bürgerlichen Sportbewegungen entstanden. Dabei sein wäre alles weiterlesen

»Unbändiger Glanz« in der Galerie im Körnerpark

Über den Körper und seine Beziehung zur natürlichen Welt

Was passiert, wenn die Natur die Oberhand gewinnt über die vom Menschen gemachte Ordnung? In der neuen Ausstellung »Unbändiger Glanz. Die Wahrnehmung von Körpern durch das Spektrum der Natur.« in der »Galerie im Körnerpark« präsentieren Künstler ihre Arbeiten über den Körper und seine Beziehung zur natürlichen Welt, zu Gärten, Pflanzen und ökologischen Systemen.

Jardin Asistido.    Foto: mr

Sie erforschen den Kontext, in dem wir leben, die Natur und ihre Zyklen, die Rhythmen der Fortpflanzung, unsere Beziehung zur Natur. Dabei geht es auch um Überlebensstrategien zukünftiger Lebewesen angesichts von Klimakrise und menschengemachtem Artensterben. Es geht auch um die Verbindung von Biosphäre und Sozialsphäre, von Natur und Stadt, um Vielfalt unserer Gesellschaft und ihrer Verflechtungen, ausgedrückt durch die Skulptur eines Baumes, die aus unterschiedlichen Baumarten zusammengesetzt ist. »Unbändiger Glanz« in der Galerie im Körnerpark weiterlesen