Löwen wecken

Vom Fahrerflüchtigen zum Flüchtlingsarzt

Plötzlich und selbstverschuldet wird Etian Grien aus seinen glücklichen Eheleben herausgerissen. Der Neurochirurg ist verheiratet mit seiner Frau Liat, sie haben zwei Kinder. Liat ist höhere Kriminalbeamtin. Da Etian Grien in der Metropole Tel Aviv eine Unregelmäßigkeit im Hospital aufgedeckt hatte, wurde nicht sein Vorgesetzter, sondern er mit seiner Familie nach Beet Schava im Süden Israels versetzt. Nach 21 Stunden Dienst im dortigen Krankenhaus tritt er in seinem Jeep auf der Wüstenstrasse im sandigen Negev auf das Gaspedal, und überfährt einen Eri­treer. Er versucht zu helfen, das scheint zwecklos, und begeht Fahrerflucht.
Nach tiefem Schlaf erscheint ihm alles wie ein schlechter Traum. Doch die Realität klingelt an der Tür der Villa seiner Familie. Die schöne Eri­treerin Sikrit steht vor der Tür und zeigt ihm seine Brieftasche, die er am Tatort verloren hatte.
Er muss sich auf ihre riskante Forderung einlassen und zu einem nächtlichen Treffpunkt in einer verlassenen Tankstelle kommen. Sikrit geht es nicht nur um Geld Sie zwingt Etian Grien, illegale Migranten und Migrantinnen zu behandeln. Der Neurochirurg betreibt fortan ein geheimes Lazarett für Geflüchtete ohne Papiere.
Etian, seine Frau Liat und Sikrit geraten in einen Strudel von Gewalt und Intrigen. Der Arzt ist hin und her gerissen zwischen Abneigung, Hass und Liebe auch zu Sikrit. Seine Frau Liat nutzt im Geschehen ihren Blick, der dem einer Löwin gleicht.
Etian Grien wird schließlich gelobt als Arzt, der Geflohenen hilft. Er reagiert verhalten, da er zum Helfer nur durch seine für einen Menschen tödliche Jeepfahrt wurde.
Am Ende besucht er das durch einen massiven Zaun verbarrikadierte Abschiebelager für Menschen schwarzer Hautfarbe. Sikrit fängt ihn mit ihren stolzen Augen, noch bevor er sie begrüßen kann. »Ich habe sie gehasst und ich habe sie geliebt.« Sikrit, die aufrechte Eritreerin, die keinen Tiger braucht, auf dessen Rücken sie aus dem Lager springen könnte.
Die israelische Autorin Ayelet Gundar-Goshen hat in ihrem zweiten Roman »Löwen wecken« mit den Mitteln des psychologischen Kriminalromans ein Bild der Widersprüche und Probleme der zeitgenössischen israelischen Gesellschaft gezeichnet. In der Kritik wird es treffend als »mitreissend« und gar «existentialistisch« bezeichnet.

Thomas Hinrichsen
Ayelet Gundar-Goshen, Löwen wecken, Kain&Aber Zürich 2015, als Paperback 16.00 €