Nachruf für einen Menschenfreund
Als Chaim Jellinek in den 70er Jahren mit 21 Jahren von seinem Geburtsort Wiesbaden nach Westberlin umzog, ließ er nichts aus, was das Leben zu bieten hatte. Als Hausbesetzer studierte er meist im Drogenrausch Medizin, erlangte in dem Fach seinen Abschluss und schwor den Drogen ab.
Sicherlich ist es der Tatsache, dass er Drogenkonsument war geschuldet, dass er zu den Pionieren des Ersatzstoffes Methadon wurde. Als einer der ersten Berliner Ärzte verabreichte Jellinek Suchtkranken den Ersatzstoff, der ihnen eine bürgerliche Existenz ermöglicht. Er bot aber darüber hinaus seinen Patienten auch soziale Dienste an. Angefangen bei der Wohnungssuche über Hilfe bei der Suche nach einem Arbeitsplatz bis hin zu Beistand bei ganz persönlichen Problemen hatte er einen Stamm von Sozialarbeitern, die unterstützend mitwirkten.
Seit diesem Jahr hatte er seine Praxis in der Morusstraße. Der Umzug von der Richardstraße wurde von heftigen Protesten aus der Bevölkerung begleitet. Zum Schluss beruhigten Jellinek und der Stadtrat für Jugend und Gesundheit, Falko Liecke, die Anwohner. Die Praxis wurde im Rollbergkiez angenommen.
Bei all dem Arbeitspensum, das der Methadonarzt täglich zu bewältigen hatte, schien er in sich zu ruhen. Gerne rauchte er eine Selbstgedrehte vor seiner Praxis und entspannte sich bei einem in aller Regel humorvollen Gespräch. So einen Schalk hatte er in den Augen, wenn er erzählte. Er hatte für alles Menschliche Verständnis und ist den Patienten auf Augenhöhe begegnet.
Chaim Jellinek ist im Alter von 60 Jahren plötzlich gestorben. Viel zu früh für so einen großartigen Menschen. Wir werden ihn nicht vergessen.
ro