Wo Banker kunstvoll weinen

Leuchtende Kunst von der Rolle

Fluoreszierende Zuckerwürfel in dunklen Kellern, weinende Banker, Werbeplakatübermalungen, Kunst von der Rolle – die Arbeiten von Friederike Hammann sind in keinen Stil zu pressen, sondern belebt von sehr unterschiedlichen Materialien, sie spielen aber fast immer mit der Wahrnehmung des Betrachters.

Hammann.                                                                                                                                   Foto: Afonso Azevedo

Die Künstlerin ist am Niederrhein aufgewachsen und lebt seit 1992 in Neukölln. Sie hat Kunst an der UdK studiert und zeichnet und malt, seit sie einen Stift halten kann. Sie erzählt, dass es ganz klassisch dazu kam: Sie lag als Kind krank im Bett und fing an zu zeichnen. Ihre Mutter sorgte in den folgenden Jahren immer für genug Papier und Stifte im Haus.
Ihr erstes Großprojekt in Berlin war die Werbeplakatübermalung von Zigarettenwerbung am Innsbrucker Platz. Sie kündigte die Aktion an und wurde dort von einer Hundertschaft der Polizei erwartet. Da sie aber mit dem Fahrrad und einem Anhänger voll Farben ankam, sah sie harmlos aus, und sie rettete ein Zettel der Vermieter der Plakatwände mit der Erlaubnis dass sie dort malen dürfe.
Das Projekt »brokers in tears« fand seinen Anfang während des Börsencrashs in Tokio in den 90er-Jahren – in allen Zeitungen waren weinende Männer abgebildet, die sich verkalkuliert hatten. Smarte Männer mit Anzug und Krawatte. Hammann interessiert daran die Ikonografie und Gestik des Leidens, da diese Leidensgesten im gesellschaftlichen Konsens sehr oft mit Flüchtlingen oder armen Menschen verbunden werden und nicht mit Bankern.
Parallel zu diesem Projekt entwickelte sie mit anderen Künstlern »Leichtkauf«, ein Format, welches leerstehende Läden in der östlichen Berliner Mitte für ein Wochenende bespielte. Künstler malen und zeichnen Werke auf lange Papierrollen. Die Besucher der Ausstellung können »Meterware« kaufen und bezahlen je nach Länge. Das längste Stück der »Kunst von der Rolle«, das sie verkaufte, war neun Meter lang. Hammann lädt bis heute Künstler dazu ein, wenn sie einen leeren Laden findet.
»Schattenlicht« sind Installationen mit Würfelzucker, die mit Tagesleuchtfarbe getränkt sind und die Wahrnehmung der Betrachter verändern und irritieren. Hammann sieht die Zuckerwürfel als 3D-Pixel, die Schatten durch Licht ersetzen. Die Besucher sehen Wölbungen im Boden und Bewegungen wo keine sind – ein Spiel mit optischen Phänomenen.
Sie arbeitete lange Jahre am Berlin College, das habe ihr aber auch die Freiheit gegeben, in ihrer Kunst frei zu sein und keinem Stil huldigen zu müssen.

jr
http://www.schlaf-mit-kunst.de/