Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Neuköllner Tageblatt, Donnerstag, 4.6.1925
Keine Papierkörbe für den Grunewald. Die städtische Deputation für Forsten teilt mit: Vereinzelt ist aus den Kreisen der Bevölkerung die Aufforderung an uns ergangen, im Grunewald Drahtkörbe für die Aufnahme von Papier usw. aufzustellen, wie es in der Vorkriegszeit teilweise üblich war. Wir haben diese Einrichtung wiederholt in Erwägung gezogen, um der anhaltenden Verschmutzung der städt. Wälder vorzubeugen, konnten uns aber bisher nicht hierzu entschließen, weil die Diebstahlsgefahr noch derart groß ist, daß wir glauben, es der Allgemeinheit gegenüber nicht verantworten zu dürfen, erhebliche Mittel zu verwenden, deren Zweck auch im Hinblick auf die noch mäßige Ordnungsliebe nicht erfüllt wird. Wir werden die Angelegenheit im Auge behalten.
Neuköllnische Zeitung, Donnerstag, 11.6.1925
Gegen Hunde als Zugtiere. Der Ausschuß für Hundefragen, der sich vor kurzem aus Vertretern aller bedeutenden Hundesport- und Hundezuchtvereinen gebildet hat, nahm in seiner letzten Sitzung einstimmig einen Beschluß an, worin er die Verwendung des Hundes als Zugtier grundsätzlich ablehnt. Der Ausschuß hat diesen Beschluß den in Frage kommenden Behörden in Berlin und dem Reiche zur Kenntnis gebracht und um schleunigste Durchführung der erforderlichen Maßnahmen gebeten.
Neuköllnische Zeitung, Freitag, 12.6.125
Das todbringende Hündchen. Einem eigenartigen Unfall ist heute Nacht eine 75 jährige Pförtnerin zum Opfer gefallen. Während ihres Schlafens sprang ein junger Foxterrier auf den Gasofen und öffnete durch eine unfreiwillige Bewegung der Pfoten den Gashahn, so daß das Gas in die Wohnung strömte. Am folgenden Morgen fand man die alte Frau erstickt in ihrem Bett tot vor, während der Hund heulend vor ihrem Bette saß.
Neuköllnische Zeitung, Sonnabend, 20.6.1925
Neu=London am Hermannplatz. Die Bauleitung der Nordsüdbahn hat die Arbeiten für die Vollendung der südöstlichen Reststrecke in den vergangenen Monaten so weit gefördert, daß die Inbetriebnahme der gesamten Bahn Seestrecke-Bergstraße (Neukölln) voraussichtlich noch im Laufe des kommenden Herbstes erfolgen wird. Am Hermannplatz kreuzt die Nordsüdbahn die ebenfalls im Bau begriffene Schnellbahn Gesundbrunnen-Neukölln, und zwar liegen die Gleise der Nordsüdbahn unter der anderen Strecke. Die beiden Bahnhöfe sollen nun nach Londoner Muster durch eine bewegliche Rolltreppe verbunden werden, die automatisch von der Nordsüdbahn in die Höhe führt und auf der anderen Seite zum Bahnsteig der Strecke Gesundbrunnen-Neukölln hinunter. In London hat man derartige Rolltreppen bei allen Bahnhöfen angelegt, die einen Massenandrang zu bewältigen haben oder bei denen von der Straße bis zu den Gleisen bedeutende Höhendifferenzen in kurzer Zeit zu bewältigen sind. Beides trifft auf den Hermannplatz zu.
Neuköllnische Zeitung, Montag, 29.6.1925
Der Sport der bösen Buben. In der letzten Zeit häuften sich die Fälle, in denen Züge der Stadt= und Vorortbahn mit Steinen beworfen wurden. Am Sonnabend abend gegen 7 Uhr gelang es einer Streife der Schutzpolizei, am Bahnhof Treptow zwei Jungen festzunehmen, die von der Parkseite aus die vorüberfahrenden Züge mit Steinen bewarfen, so daß mehrmals Scheiben zertrümmert wurden. Die beiden Ertappten sind Schüler im Alter von 10 und 12 Jahren. Sie wurden ihren Eltern zugeführt, wo ihnen hoffentlich die verdiente Strafe für ihren Unfug zuteil geworden ist.
Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1925 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.
Auf den Hund gekommen
Hundegespanne als Alternative zu Pferden oder Eseln
Hundefuhrwerke waren in und um Berlin bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts omnipräsent. Die schnell anwachsende Stadtbevölkerung musste mit Lebensmitteln versorgt werden, aber Pferde, Rinder oder Esel konnten sich nicht alle Gesellschaftsschichten leisten.

Arbeiter, Bauern, Kleinhandel- und Gewerbetreibende oder Lumpensammler nutzten daher Hundefuhrwerke, um mit ihnen Lebensmittel, Waren und Gerümpel zu transportieren, denn das »Pferd« des armen, kleinen Mannes kann das Drei- bis Fünffache seines Körpergewichtes ziehen. Außerdem waren große Hunde nicht nur in der Anschaffung günstiger als andere Zugtiere, sie waren auch in der Haltung und Pflege billig und anspruchslos. Sie benötigten keine Ställe und konnten sich besser auf dem innerstädtischen Straßenpflaster bewegen.
Durch ihre leichte Führbarkeit waren vor allem Jungen mit ihnen unterwegs und auch Frauen. Häufig fuhren Bäuerinnen alleine zum Markt. Bekannt ist das Milchmädchen und der Bollerwagen. Außerdem bot der meist große und kräftige Hund seinen Besitzern und der Wagenladung einen gewissen Schutz.
Bereits in den späten 1860er Jahren begann eine Debatte darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der Hund als Zugtier geeignet sei. Insbesondere der Berliner Tierschutzverein trat dafür ein, die Ziehhunde abzuschaffen und zum Beispiel durch Esel zu ersetzen. In anderen deutschen Städten wurden Hundefuhrwerke verboten, in Berlin jedoch nicht. Das Berliner Polizeipräsidium legte indes 1929 einige Regeln fest. So galten zum Beispiel nur gesunde Hunde als tauglich, die mehr als 60 Zentimeter Schulterhöhe besaßen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwand die lange tradierte Verwendung des Hundes als Zugtier und motorisierte Transportformen etablierten sich immer mehr.
mr