Nachrichten aus Neuköllner Zeitungen vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Neuköllner Tageblatt, Mittwoch, 1.10.1924
Ein neues Todesopfer infolge eines verbotenen Eingriffes. In das Krankenhaus Buckow wurde eine Frau R. aus Neukölln eingeliefert, die das Opfer einer „weisen Frau“ geworden ist. Sie konnte leider nicht mehr gerettet werden. Die Leiche wurde beschlagnahmt. Die vielfachen Todesopfer, welche in letzter Zeit infolge verbotenen Eingriffs zu verzeichnen sind, sollten den Frauen zur ernsten Warnung dienen.
Neuköllner Tageblatt, Mittwoch, 1.10.1924
Im Neuköllner Amtsgerichtsgebäude um sein Fahrrad bestohlen wurde der Drogist Erich Bilter aus Britz, Marienfelder Allee 84. B. hatte im hiesigen Amtsgericht einen Termin wahrzunehmen und schloß sein Fahrrad am Treppengeländer an. Bei seiner Rückkehr fand er nur noch Kette und Schloß vor, das Rad war spurlos verschwunden.
Neuköllner Tageblatt, Sonnabend, 4.1.1924
Der Landtag in der Luft. Auf Veranlassung des Abgeordneten Haas-Köln statteten am Donnerstag 60 Landtagsabgeordnete dem Deutschen Aero=Loyd auf dem Flugplatz Staaken einen Besuch ab. Die Flug=Gesellschaft hatte für ihre parlamentarischen Gäste eine Reihe Aeroplane zur Verfügung gestellt und veranstaltete Probeflüge, an denen sämtliche Abgeordnete teilnahmen. Die Flüge fanden bei schönstem Wetter statt, und die Abgeordneten äußerten sich außerordentlich befriedigt über das Erlebnis. Eine Maschine stieg zu einem Höhenflug auf und erreichte eine Höhe von über 1000 Metern.
Neuköllnische Zeitung, Donnerstag, 9.10.1924
Der Magistrat stimmt für den Ankauf des Rittergutes Britz. Der Berliner magistrat hat gestern dem antrage des Neuköllner Bezirksamtes entsprochen und der Erwerbung des Rittergutes Britz von den Wredeschen Erben genehmigt. Damit ist der Ankauf aber noch nicht endgültig genehmigt, da die Berliner Stadtverordnetenversammlung noch keine entsprechende Vorlage einging und erst nach deren Genehmigung der Kauf vollzogen werden kann. Es steht jedoch zu erwarten, daß auch hier der Neuköllner Antrag zur Annahme gelangt und dieses große Gelände für Neukölln nutzbar gemacht wird.
Neuköllner Tageblatt, Sonnabend, 11.10.1924
Die vom Rettungsamt kürzlich bereitgestellten Unfall=Eilwagen sind mit Genehmigung des Polizeipräsidenten mit Läutewerk versehen worden, die sich durch ihren Schall von den Wagensignalen der Feuerwehr unterscheiden. Die Einrichtung soll dazu dienen, den Unfall=Eilwagen künftig schnelleres Vorwärtskommen zur Erreichung der Unfallstelle
Neuköllner Tageblatt, Dienstag, 14.10.2024
Die Verkehrsregelung am Potsdamer Platz. Der erste Verkehrsturm, übrigens nicht nur der erste für Berlin, sondern für ganz Europa, ist jetzt von einer Tempelhofer Fabrik soweit fertiggestellt, daß seine Platzierung am Potsdamer Platz erfolgen kann. Die hierfür vorgesehene Stelle in der Mitte des Platzes ist auch bereits vollkommen ausgegraben. Der Turm soll zunächst einmal eine Woche lang unverwertet dastehen, damit sich alle die diversen Dammbenutzer an seinen Anblick gewöhnen. Dann will man ihn mindestens zwei Wochen lang mit seinen roten, weißen, grünen Lichtern in den Hauptverkehrsstunden erstrahlen lassen, Signale sind aber zunächst nur für den internen Dienst der davor stehenden Schupoleute bestimmt. Erst dann, wahrscheinlich frühestens Anfang Dezember, wird der Turm richtig in Tätigkeit treten.
Neuköllnische Zeitung, Dienstag, 14.10.1924
Eine Rolltreppe am Hermannplatz. Zwei Direktoren der Berliner Nordsüdbahn reisen nach London, um dort Studien über die besten Rolltreppen anzustellen. Man will nach Londoner Muster am Kreuzungsbahnhof Hermannplatz in Neukölln eine solche ausbauen. Berlin hat bereits vor vielen Jahren eine ähnliche Einrichtung besessen. Ein großes Warenhaus hatte eine solches Fortbewegungsmittel für seine Kundschaft eingerichtet.
Die Transkription der Zeitungstexte wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus den Originalen von 1924 übernommen. Die Originale befinden sich in der Zentral- und Landesbibliothek, Breite Straße 30, 10178 Berlin.
Leuchtzeichen bringen Ordnung ins Verkehrschaos
Die erste Verkehrsampel stand am Potsdamer Platz
Schon 1869 wurde in London die erste Verkehrsampel aufgestellt. Rote und grüne Gaslichter zeigten den Fußgängern und Kutschern, ob sie die Kreuzung überqueren dürfen. Da die Ampel nach kurzer Zeit explodierte, wurde sie wieder abgeschafft.
Nach diesem Misserfolg dauerte es 46 Jahre, bis die erste elektrische Ampel 1914 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio in Betrieb ging.
Im Jahr 1924 wurde am Potsdamer Platz die erste »Lichtzeichenanlage mit Verkehrsturm« in Deutschland errichtet. Die Behörden sahen damals keine andere Chance, mit dem wachsenden Autoverkehr in der Hauptstadt fertig zu werden. Immerhin zählte der Potsdamer Platz damals zu den verkehrsreichsten Plätzen Europas mit S- und U-Bahnanschlüssen, 26 Straßenbahn- und fünf Buslinien. Dazu ein enormes Verkehrsaufkommen durch Autos und Reisende, die täglich den Bahnhof ansteuerten. Klar, dass der Schutzmann, der vom Hochstand aus mittels einer Trompete versuchte, das Getümmel zu bändigen, völlig überfordert war.
Der über acht Meter hohe Ampelturm ähnelte einem Hochstand mit fünf Trägern, die Lichter waren nebeneinander angeordnet. Seitlich hatte er eine Leiter, damit ein Polizist zu einer verglasten Kabine emporsteigen konnte, um von dort aus einen Schalter zu bedienen, damit die Farben wechselten. Als heute völlig undenkbares Extra gab es in jede Richtung auch noch eine große Uhr.
Der Turm wurde schnell zu einem der meistfotografierten Symbole des modernen Berlins. Aber bereits 1937 wurde er anlässlich der Arbeiten für den unterirdischen S-Bahnhof Potsdamer Platz abgebaut und durch Hängeampeln ersetzt.
Noch heute ist diese Ur-Ampel zu besichtigen, wenn auch nur als Nachbau. Sie steht seit dem Jahre 2000 auf dem Potsdamer Platz. mr