Über den Philosophen, Schriftsteller und Maler Stanislaw Kubicki
Stanislaw Kubicki spielte gerne Schach. Am liebsten mit seinem Nachbarn, dem Anarchisten Erich Mühsam. Beide wohnten in der Hufeisensiedlung in Britz. Im Zuge der ständigen Ausstellung »99 x Neukölln« vermachte der Sohn Karol Kubicki dem Museum Neukölln am 19. Juni das Schachbrett, auf dem die beiden Gegner der herrschenden bürgerlichen Ordnung regelmäßig ihre geistigen Kämpfe ausgefochten haben.
Die Zusammenkünfte fanden 1933 ein jähes Ende. Erich Mühsam war einer der ersten, der nach dem Reichstagsbrand verhaftet wurde. Er ist 1934 im KZ Oranienburg ermordet worden.Der inzwischen 88-jährige Karol Kubicki erzählte eindrucksvoll, aber auch humorig über seinen Vater Stanislaw. »Er war ein wunderbarer, lebensfroher Mann, der allerdings nicht mit Geld umgehen konnte. Meine Mutter Margarete sagte über ihn, dass er Tropfgeld verwendete, das ihm nur so aus den Händen glitt«, erklärte Kubicki. »Er war ein begabter expressionistischer Maler und origineller Grafiker und Wortsprecher der Posener Künstlergruppe »Bunt«. Ich glaube allerdings nicht, dass er ohne die Machtergreifung Hitlers gemalt hätte. Kunst war für ihn ein Mittel des aktiven Widerstands.« Karol Kubicki erinnerte sich daran, dass er mit seinem Vater in Cafés ging, aber meistens die anderen Gäste die Zeche zahlten. »Mein Vater war ein Edelschnorrer, der aber den Besuchern den bis dato langweiligen Abend vergoldete.«
Auch Karols Mutter war Malerin und überzeugte Anarchistin. Sie ging mit ihrem siebenjährigen Sohn zum Reichstagsbrand. »Ich habe damals zwei Fehler gemacht«, so Karol. »Ich habe meiner Mutter gesagt, dass das niemals ein Mann alleine angezündet haben kann, und ich habe gesagt, dass alle Nazis verschissen sind. Das Wort Faschisten kannte ich damals noch nicht.« Karol Kubicki half seiner Mutter über die schwerste Zeit ihres Lebens hinweg. Ihr Mann wurde 1942 von der Gestapo festgenommen und 1943 in Polen ermordet. »Das hat meiner Mutter fast den Lebensnerv gezogen. Während der zahlreichen Flugzeugangriffe auf Berlin saß sie immer im Garten und hat sich den Bombenzauber angesehen. Mich hatte sie zuvor in den Schutzkeller geschickt.«
Zum Schluss erzählte Kubicki noch etwas über das Schachbrett des Vaters. »Ich habe selbst nie Schach, sondern nur Skat gespielt. Ich weiß aber, dass dieses Brett weit über 100 Jahre alt ist. Allerdings finde ich die Figuren nicht mehr, was natürlich sehr schade ist.« Kubickis Frau war an diesem Abend gleichfalls anwesend, um den schwerhörigen Gatten zu unterstützen. »Sie ist quasi mein Hörbuch«, meinte er schmunzelnd.
Das Schachbrett selbst ist kaum größer als 30 mal 30 Zentimeter und auch kein besonders edles Kunstwerk. Aber es hat eine Geschichte, die tragisch und berührend ist.
cal
Das Schachbrett
Museum Neukölln
Alt-Britz 8
Öffnungszeiten:
Di-So 10-18 Uhr
info@museum-neukoelln.de