Aus der Bezirksverordnetenversammlung

Neue Milieuschutzgebiete, Karstadt-Diskussionen und Razzien-Streit

Bezirksbürgermeister Martin Hikel nutzte sein »Wort des Bürgermeisters« am Beginn der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 26. Februar dazu, die Namen der Opfer des Anschlags von Hanau zu verlesen. Anschließend erhoben sich die Bezirksverordneten, um schweigend der Ermordeten zu gedenken.
Gute Nachrichten gab es für Mieter in Britz und im Bereich der Germaniapromende. Die Mehrheit von SPD, Grünen und Linken beschloss, hier Milieuschutzgebiete einzurichten. Damit werden aufwändige Modernisierungen wie der Einbau von teuren Bädern oder Zweitbalkonen untersagt. Das Bezirks­amt kann außerdem das Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ausüben und damit Hausverkäufe an Spekulanten verhindern.
Über eine ärgerliche Entwicklung am U-Bahnhof Rudow berichtete Martin Hikel im Rahmen der mündlichen Anfragen. Die BVG hatte zugesagt, einen zusätzlichen Busaufstellbereich in der Neuköllner Straße zu finanzieren. Der wird dringend gebraucht, um ein Verkehrschaos zu verhindern, wenn nach Eröffnung des BER die Busse dort im Minutentakt abfahren. Inzwischen hat die BVG diese Zusage allerdings zurückgezogen. Unverantwortlich findet es Hikel, dass der Bezirk für dieses Versäumnis jetzt nicht nur finanziell, sondern auch planerisch aufkommen soll. In der Hoffnung, doch noch eine Lösung zu finden und das Projekt zumindest dem Grunde nach nicht zu gefährden, wurden die notwendigen Baumfällungen bereits jetzt vorgenommen. Ansonsten hofft das Bezirks­amt, dass der Senat ein Machtwort spricht.
Der Dauerbrenner Karstadt war auch in dieser Sitzung wieder Thema. In der ausführlichen Debatte wurden die bereits bekannten Argumente ausgetauscht. Die Linke ist grundsätzlich gegen eine Veränderung. Marlis Fuhrmann lobte die Bescheidenheit des Gebäudes im Vergleich zur »Großmannssucht« der neuen Pläne. CDU und FDP unterstützen den Investor. CDU-Fraktionsvorsitzender Gerrit Kringel unterstellte der Linken Angst vor Veränderung und empfahl ihnen, nicht immer zu behaupten, für alle Neuköllner zu sprechen. Viele seien sehr angetan von den Plänen. Die Grünen wollen erst einmal konkretere Pläne sehen, bevor sie entscheiden, wie sie damit umgehen. Und sie wollen eine echte Beteiligung der Bevölkerung. Die SPD sieht die Pläne vorwiegend positiv. Peter Scharmberg rief BVV und Bezirksamt dazu auf, intensiv daran mitzuarbeiten, damit am Hermannplatz etwas Vernünftiges entstehe.
Bei der Diskussion um zwei Anfragen zu Überprüfungen von Neuköllner Geschäften wurde der Boden der sachlichen Argumentation weitgehend verlassen. Bezirksbürgermeister Hikel hatte in seiner Antwort erklärt, dass die Auswahl der Geschäfte nicht willkürlich sei, sondern auf Grundlage von Erkenntnissen der Polizei erfolge. 2019 wurden stadtweit bei 382 Einsätzen 972 Straftaten und nahezu 6.000 Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige gebracht. Bei der Verfolgung krimineller Delikte würde dabei auch keineswegs nach deutscher oder nichtdeutscher Herkunftssprache entschieden. Ahmed Abed (Linke) hält diese »Razzien« trotzdem für rassistisch und behauptete, sie hätten den Boden bereitet für die Morde in Hanau. Daraus schloss Anne Zielisch (fraktionslos/AfD) messerscharf: »Da, wo viele Geflüchtete leben, ist auch der Widerstand und die Zahl der rechten Gewaltakte am größten.«
Da es die BVV bei dieser Art der Diskussionen nicht schafft, alle Themen zeitnah abzuarbeiten, findet am 9. März wieder einmal eine Sonder-BVV statt.

mr