»Haupt Pharma« in Britz soll schließen

Kampf um den Industriestandort Neukölln

Seit über 80 Jahren stellt »Haupt Pharma« in Britz Medikamente im Kundenauftrag her. Bis zu seiner Übernahme durch die »Aenova«-Gruppe gehörte der Konzern, der neben dem Werk in Neukölln noch weitere sieben Standorte mit weltweit 2.000 Mitarbeitern hatte, zu den fünf führenden europäischen Unternehmen der Branche.

DEMO für Arbeitsplätze.     Foto: Chr. Hoffmann

2014 schluckte die »Aenova«, die inzwischen zum Finanzinvestor »BC Partners« gehört, den Konkurrenten. Im September 2019 beschloss der Aufsichtsrat, den Berliner Standort zum 31.12.2020 komplett stillzulegen. 150 Arbeitskräfte in Produktion und Verwaltung des Arzneimittelherstellers werden damit ihren Job verlieren.
Nachdem der Tabakkonzern »Philip Morris« die Schließung seines Werks für Anfang 2020 und die Entlassung von 950 Mitarbeitern ankündigte, wäre dies ein weiterer schwerer Verlust für den Industriestandort Neukölln.
Die Mitarbeiter wollen um ihre Jobs kämpfen und haben dabei auch die Unterstützung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).
In ihrer Sitzung am 4. Dezember verabschiedete sie mit 49 Stimmen bei einer Enthaltung eine von SPD, Grünen und Linken eingebrachte Entschließung, in der die »Aenova« aufgefordert wird, »insbesondere vor dem Hintergrund der Versorgungskrise mit Arzneimitteln und Medikamenten ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, die »Haupt Pharma Berlin GmbH« zu erhalten und den Standort zu sichern.« Das Bezirksamt werde dabei unterstützt, Kontakt mit der Firmenleitung aufzunehmen und sich für den Erhalt des Neuköllner Unternehmens und der Arbeitsplätze einzusetzen.
»Wir sind überzeugt, dass es gerade angesichts der aktuellen Arzneimittelversorgungskrise Chancen gibt, den Produktionsstandort und die Arbeitsplätze zu erhalten«, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bernd Szczepanski, zur Begründung. Er berichtete aber auch, dass Kaufangebote ausgeschlagen und die Verhandlungen mit Gewerkschaftsvertretern abgebrochen wurden. Auf der Tribüne entrollen dazu Mitarbeiter des Unternehmens ein Protestbanner.
Ein Änderungsantrag von Steffen Schröter (AfD), der das Bezirks­amt dazu aufforderte, »sich bei den zuständigen Stellen im Land Berlin einzusetzen, dass dort keine weiteren wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen getroffen werden«, erhielt keine Mehrheit. Schröter nutzte allerdings seine Redezeit zu einem Rundumschlag gegen Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsberuhigung und Tempolimit, die angeblich allesamt dazu beitragen, dass Unternehmen abwandern. Bezirksbürgermeister Martin Hikel erwiderte, dass die Wirtschaftsförderung sich vor Anfragen kaum retten könne, es aber häufig an Platz für Unternehmensansiedlungen mangele.
Das veranlasste Jörg Kaptän (fraktionslos, AfD) zu der Bemerkung: »Wenn alle Schlange stehen, ist es doch nicht so schlimm, wenn einer geht.«

mr