Nachruf

Wolfgang Schnell (27.12.1942 – 16.08.2019)

Als Kiez und Kneipe auf der Suche nach geeigneten Redaktionsräumen war, sprach mich Wolfgang darauf an, ob wir nicht Lust hätten, in seinen Räumlichkeiten zu produzieren. Und ob wir Lust hatten. Nach Besichtigung der Räumlichkeiten war der Untermietvertrag schnell unterschrieben. Das war im Oktober 2012. Keiner von uns sollte das je bereuen.

Foto:privat

Es entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft. Mit Stolz kann ich sagen, mit ihm einen wirklich außergewöhnlichen Menschen zu meinem engeren Freundeskreis zählen zu dürfen. Im Laufe der Zeit lernte ich viel über diesen Mann, der eines am Besten konnte, nämlich Stadtteile planen. In enger Abstimmung mit Natur- und Denkmalschutz setzte er etliche Bauvorhaben in die Praxis um.
Eine seiner besonderen Fähigkeiten zeigte sich im Umgang mit anderen Menschen. Wie kaum ein anderer konnte er im richtigen Moment mit den richtigen Worten zu den richtigen Menschen sprechen. Wolfgang war auch ein Gefühlsmensch. Wenn er zum Beispiel mit seiner Frau Birgit ein Konzert besucht hatte und davon erzählte, standen ihm oftmals Tränen der Rührung in den Augen. Sie waren auch da, wenn er sich mit seiner in Stockholm lebenden Tochter getroffen hatte. Aber auch bei einem Spiel der »Hertha« konnte er auf seinem Stammplatz in der Ostkurve aus vollem Hals jubeln.
Gnadenlos reagierte Wolfgang auf die Verwendung von Worten und Bezeichnungen, die in Berlin nicht üblich sind. »Samstag« war für den Berliner ein Unwort. Für ihn gab es nur den »Sonnabend«. Und bei den Uhrzeiten hieß es nicht »viertel nach sieben« sondern »viertel acht«. Konsequent korrigierte er jeden Text, bis auch der unwilligste Schüler aufgab und sich in die Verwendung des Berlinerischen fügte.
Birgit, die Ehefrau von Wolfgang, war sicherlich sein stärkstes Regulativ. Gleichzeitig war sie auch die Person, der er seinen Dickkopf immer wieder zu spüren gab. Das geschah so bis zum bitteren Ende. Da Wolfgang in letzter Zeit immer dünner und schwächer wurde, manchmal hinfiel und ohne fremde Hilfe nicht aufstehen konnte, wollte Birgit ihn davon überzeugen, sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Die Behandlung sollte am Montag beginnen. Aber Wolfgang hatte seine eigene Vorstellung: Er legte sich Freitagnacht ins Bett und starb.
Und wieder einmal hat er seinen Dickkopf durchgesetzt.

ro
Die Beisetzung findet am 20. September um 12:00 auf dem Alten St. Michael Friedhof, Hermannstraße 191-195 statt.