Start-up-Szene Neukölln: bloßer Hype oder große Chance?

Teil 3: Start-up ist nicht gleich Start-up und Neukölln macht sein Ding

In Teil 1 und 2 unserer Serie berichteten wir schon vom Bild, das gemeinhin von der Neuköllner Start-up-Szene besteht und von den konkreten Fördermöglichkeiten, die Land und Bezirk bereitstellen. Aber wie sieht die Neuköllner Start-up-Szene tatsächlich aus?

Nicht jedem gefällt die Entwicklung.                                                                                                                                Foto: jt

Egal ob die Start-up-Szene zum Heilsbringer auserkoren oder als heiße Luft abgetan wird, was genau mit dieser »Szene« gemeint ist, bleibt meist unklar. »Start-up ist ein Modebegriff, eigentlich geht es hier um Existenzgründung«, erklärt Clemens Mücke. Im Duden wird Start-up schlicht als »neu gegründetes Wirtschaftsunternehmen« definiert, während das Gabler Wirtschaftslexikon das geringe Startkapital der Neuunternehmer hervorhebt, die dann auf die Investition von Risikokapital angewiesen sind, um sich zu vergrößern. Folgt man dieser letzten Definition, müsste Neukölln ganz schnell von der Landkarte des »Berlin Valley« gestrichen werden.In Neukölln gibt es kaum klassische Start-ups, in die viel Kapital fließt. So beobachtet es zumindest Stefanie Raab von Coopolis. Das Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung wurde vom Bezirksamt Neukölln beauftragt, die Kreativwirtschaft in Neukölln zu betreuen und zu erfassen und führt momentan zum zweiten Mal eine Studie zur Kreativwirtschaft in Neukölln durch.
»In Neukölln gibt es keine typischen Start-ups, sondern die Kreativszene ist typisch für Neukölln«, sagt Raab. Damit meint sie, dass sich die etwa 500 bis 1.500 Menschen, die in der Kreativwirtschaft arbeiten, selbstständig machen, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und nicht, um schell viel Geld zu verdienen und international zu expandieren. Außerdem stünden der Tech-Bereich und Software-Entwicklungen erst an zweiter Stelle der in der Neuköllner Kreativwirtschaft vertretenen Branchen. Den ersten Platz belegen Design und Modeunternehmen, und an dritter Stelle stehen schon die darstellenden Künste. Und das hinterlässt doch Spuren in der Neuköllner Stadtkulisse: Ausgefallene Hutläden und T-Shirt-Druckwerkstätten, Nähereien und Künstlerateliers schieben sich zwischen Spätis und Kneipen. Kaum eine Ladenfläche bleibt unbenutzt.
Es handelt sich bei den Labels, Galerien, Cafés und Eismanufakturen genau wie bei »normalen« Start-ups um Klein- und Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige in der Anfangsphase. Nur der weitere Weg der Gründer unterscheidet sich von dem, was man sich unter einem klassischen Start-up vorstellt. Neukölln ist also durchaus eine Besonderheit, ein Berg im »Valley« der Berliner Start-up-Szene.

jt