Von Wurzeln und Träumen

Ashia Bison Rouge spielt auf ihrem Cello verträumte Neukölln-Songs

Die Oder ist mehr als ein Fluss. Sie ist die Grenze zwischen zwei Ländern, Deutschland und Polen, und zwischen zwei Welten, Ost und West. In diesen Fluss ließ sich Ashia Grzesik fallen, um zu ertrinken und auf der anderen Seite wieder aufzutauchen. Auf der Suche nach ihren Wurzeln war die Oder ihre Orientierungslinie und gab ihrem letzten Album den Namen.

Ashia Bison Rouge.                                                                                                                                                                       Foto: pr

Geboren in Polen und aufgewachsen in Deutschland und den USA, ist die Frage nach der eigenen, vielfältigen Identität die treibende Kraft hinter dem künstlerischen Schaffen der Cellistin. In Polen wird sie wegen ihres Akzents nicht als Polin erkannt, doch ihre Seele zieht es immer wieder dorthin zurück. In Neukölln hat sie ihre Mitte gefunden. Eine Mitte zwischen Ost und West, eine Insel im grünen brandenburgischen Meer. Überhaupt ist Berlin eine Insel für Ashia, nicht nur wegen der politischen Geschichte, sondern auch in der Gegenwart. Ein kosmopolitischer Ort, der wie eine verlorene Insel zum Träumen und Umherwandern verführt. Genauso klingt Ashias Album »Oder«. Ihre Stimme und das Cello verschmelzen, wandeln gemeinsam durch die Traumwelten, bauen sich zu beeindruckenden Bildern auf und fließen sanft dahin. Der Song »Villa Rixdorf« ist gleichsam eine Ode an Neukölln, an die eigenen Wurzeln und die »Heimat«, ein Wort, das Ashia, die meist Englisch spricht, doch immer auf deutsch sagt.
Die zierliche, braunhaarige Cellistin ist gerade Mutter geworden, hier, in ihrer Wahlheimat Neukölln. Die fließende Sprache der Musik begleitet Ashia zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens. Während der Schwangerschaft schrieb sie ein Lied mit dem Herzschlag ihres Sohnes. Seit Luca zur Welt gekommen ist, werden die Lieder, ebenso wie ihr Leben, konkreter. So entstand ein Lied für die Kitaeröffnungsfeier. Neben der Arbeit an ihren eigenen Projekten und Performances schreibt und spielt Ashia schon lange gemeinsam mit Akrobaten. Nach ihrem Musikstudium an der Washington State University arbeitete sie jahrelang mit dem weltbekannten »Cirque de Soleil« in Las Vegas. In Berlin führt sie die­se Arbeit am »Wintergarten« fort und komponiert Stücke für die Akrobaten dort, versucht ihnen eine Musik auf den Leib zu schreiben, in der sie sich wie natürlich bewegen können.
Auch das Lied »Hold & Fall« auf dem Album »Oder« beschreibt das Leben der Akrobaten, die Höhen und Tiefen, das Halten und Loslassen. Letztendlich geht es um Vertrauen. Das ist typisch für Ashias Texte. Sie entspringen ihrem eigenen Leben, beschreiben vielleicht konkrete Bilder, die dann aber in Botschaften münden, die gar nicht mehr konkret sind und von jedem Zuhörer selbst mit Bedeutung gefüllt werden können.
Wie bei so vielen Neuköllnern sind Ashias Wurzeln genauso vielfältig und komplex wie ihre Träume. Vielleicht ist ihre Musik deshalb so ansprechend für Menschen, die hier wohnen. 

jt