Kreativwirtschaft in Neukölln

Der Kiez steht vor Veränderungen

Unter dem Motto »Bunt, kleinteilig und international – Kreativwirtschaft in Neukölln« luden die beiden Abgeordneten der Grünen, Anja Kofbinger und Susanna Kahlefeld, zum Kiezgespräch ins Café »DOTS« in der Weserstaße 191 ein.

Kiezgespräch
Auf der Suche nach neuen Strukturen.                                                                                                                           Foto: rb

»Was tun Bezirk und Senat für die Kreativen in Neukölln, und wie kann die Kreativwirtschaft im Bezirk konkret gefördert und unter-stützt werden?« Darüber diskutierten die beiden Parlamentarierin- nen mit Clemens Mücke von der Wirtschaftsförderung Neukölln, Tobias Losekandt vom »Kreativnetz Neukölln«, der Neuköllner Mode- designerin Mareike Ulmann, Notker Schweik­hardt, Sprecher für Kultur- und Kreativ­wirtschaft im Berliner Ab­geordnetenhaus, und den rund 30 Gästen.In den letzten fünf Jahren hat sich eine große Zahl kleiner Kreativ- unternehmen in Neukölln angesiedelt. In den vielen Ladenlokalen, die noch vor einigen Jahren leer standen, konnten sich Kreative aus den Bereichen, Mode, Design, Film und Software/IT ansiedeln. Laut einer Studie von »Coopolis« aus dem Jahr 2014 können ungefähr die Hälfte der Kreativen von ihrem Unternehmen leben. Diese Struktur sieht Tobias Losekandt nun gefährdet: »Die günstigen Mieten, die immer ein Plus für Neukölln waren, sind immer mehr zum Unsicherheits-faktor geworden. Je mehr der Mietendruck steigt, desto schwieriger ist die Struktur zu erhalten.«
Mareike Ulmann, die in der Weserstraße gleich neben dem »DOTS« ihren Laden »WESEN« betreibt, sieht die Lage skeptisch. Sie konnte sich vor vier Jahren ohne größere Investitionen mit ihrem Unter-nehmen in Neukölln ansiedeln. Jetzt ist das Haus, in dem sie ihren Laden hat, verkauft worden: »Ich weiß noch nicht, wie sich die Miete jetzt entwickeln wird.«
Clemens Mücke setzte diesem Bild die vielen Aktivitäten der Neuköllner Wirtschaftsförderung entgegen. So berichtete er von dem neu gegründeten »Studio Hertzberg« in der Sonnenallee 174, einem Zusammenschluss von zwölf Designerinnen, die vor allem fair produzierte Mode für Übergrößen herstellen. Anschließend stellte er noch das »Projekt Neukölln« vor, für das das Bezirksamt Fördermittel in Höhe von zwei Millionen Euro aus dem »Bundesprogramm Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier« (BIWAQ) akquirieren konnte.
Notker Schweikhardt kritisierte die Förderpraxis des Senats, die sich nur an den gut Organisierten und Etablierten orientiere. Viele Klein­unternehmen seien mit Fördermitteln des Quartiersmanagements entstanden. Die Landesebene habe danach verpennt, EU-Förder-mittel zu beantragen, um die Unternehmen beim zweiten Schritt zur Marktreife zu unterstützen.
Die Diskussion zeigte, dass es vor allem an professionellen Struk- turen fehlt, um die Kreativen an den verschiedenen Stipendien und Fördermaßnahmen, die es gibt, teilhaben zu lassen. Auch wurde die Forderung laut, eines der großen leerstehenden Immobilenobjekte wie die »Alte Post« oder das ehemalige »C&A«-Gebäude für Kreativ-unternehmen nutzbar zu machen.

rb