Streit um Bericht zu Rechtsextremismus

CDU stellt Missbilligungsantrag gegen Stadträtin Sarah Nagel

Eigentlich sollte bereits seit 2017 jährlich ein Bericht über Rechtsextremismus in Neukölln erscheinen. Anlass für diesen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) war der sogenannte Neukölln-Komplex, eine rechtsextreme Anschlags­serie im Bezirk. Acht Jahre später stellte Stadträtin Sarah Nagel, die in Personalunion auch Beauftragte gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist, einen ersten Bericht vor, der auf 60 Seiten rechtsextreme Straftaten und Netzwerke im Bezirk auflistet.

Demo vor der BVV.   Foto: mr

Betroffene und zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich vor Ort gegen die Rechtsextremen engagieren, kommen darin zu Wort und beurteilen die Lage. Dabei üben einige der Initiativen deutliche Kritik an der Aufklärung der Neuköllner Anschlagsserie und sprechen von »Skandalen und Ungereimtheiten in der Ermittlungsarbeit«.
Nur wenige Tage nach Erscheinen wurde der Text bereits wieder von der Webseite gelöscht.
Die CDU hatte sich beschwert, weil in dem Bericht »linksextreme Forderungen« genannt und »konservative Akteure« als Problem benannt würden. Besonders ein Satz, in dem von einer Vernetzung von »Nazis, Fußball-Hooligans, AfDler bis hin zu konservativen Akteuren« besonders im Neuköllner Süden die Rede ist, ging ihr gegen den Strich. Das sei nicht mit dem staatlichen Neutralitätsgebot vereinbar, hieß es. Auch habe Nagel den Bericht nicht wie üblich dem ge­samten Bezirksamt vorgelegt, sondern ihn im Alleingang veröffentlicht. Das sei rechtswidrig. Deshalb wurde am 14. Mai eine Sondersitzung der BVV einberufen, in der über eine Missbilligung Nagels abgestimmt werden sollte.
Bezirksbürgermeister Martin Hikel erklärte, dass die Bezirksaufsicht keine Ansätze für Rechtsverstöße erkenne. »Insoweit liegt hier ein Grenzfall vor, weil in dem Bericht zwar deutlich wird, dass es sich um Zitate handelt, eine klarstellende Abgrenzung aus Gründen der Neutralität aber sachgerecht wäre.«
Cordula Klein (SPD) erklärte, die Einbindung von Betroffenen und deren Perspektiven machen die Stärke des Berichts aus. Sie warf der CDU vor, sich gegen eine transparente Aufarbeitung rechtsextremer Strukturen im Bezirk zu stellen und zu versuchen, mit vorgeschobenen Neutralitätsdebatten die dringend notwendige Aufklärung zu verhindern. »Das ist verantwortungslos und sendet ein fatales Signal an die demokratische Zivilgesellschaft.«
Das sah Samira Tanana (Grüne) ähnlich. »Es sind die Stimmen im Bericht, die nicht gefallen. Die migrantischen Stimmen, die Stimmen von Initiativen, die seit Jahren rechte Gewalt dokumentieren. Die kritischen Stimmen gegenüber staatlichem Handeln.«
Ihre Parteikollegin Su­sann Worschech empfahl: »Vielleicht lesen Sie das mal als einen Indikator dafür, dass den Menschen da draußen das Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen verloren gegangen ist.«
Die AfD hingegen sah sich im Fokus einer linken Verschwörung. Ihr Fraktionsvorsitzender Julian Potthast fühlte sich gar wie Herr K. aus Kafkas »Prozeß«, der verhaftet wird, ohne dass man ihm den Grund dafür nennt.
Am Ende konnte sich die CDU nicht durchsetzen. Mit den Stimmen der Linken, Grünen und der SPD wurde der Antrag abgelehnt, CDU und AfD stimmten dafür.
Unklar ist, ob der Bericht demnächst wieder veröffentlicht wird. Ein Antrag der Grünen, der dieses fordert, fand ebenfalls keine Mehrheit.

mr