Simulierte Demokratie

Bürgerwerkstatt versus Volksentscheid über Zukunft des Tempelhofer Feldes

Nachdem der schwarzrote Berliner Senat am 18. April erneut Flächen (14,4 Hektar) aus dem »Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes« (ThFG) herausgeschnitten hat, soll über das Schicksal des Feldes jetzt von höchstens 500 aus 20.000 angeschriebenen- zufällig ausgelosten Berlinern gerichtet werden.An drei Wochenenden sollen sie Thesen für die zukünftige Entwicklung des Tempelhofer Feldes erarbeiten.

Saisonstart auf dem Feld.    Foto: bs

2014 stimmten 739.124 Berliner für den Volksentscheid. Im Anschluss wurde von mehreren Hundert Berlinern sowie Vertretern der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der landeseigenen »Grün Berlin GmbH« die künftige Entwicklung des Feldes im »Entwicklungs- und Pflegeplan für das Tempelhofer Feld« (EPP) festgehalten und 2016 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Bei der Übergabe des EPP an den damaligen Staatssekretär Gaebler lobte dieser ihn als »besonderes Ergebnis einzigartiger Bürgerbeteiligung«.
Nun soll, nach seiner jetzigen Meinung als Senator, ein nicht legalisiertes Bürgerbeteiligungsverfahren die Entwicklung des Feldes in die Hände nehmen.
Die dabei zusammengetragenen Thesen sollen in die Aufgabenstellung des anschließenden internationalen planerischen Ideenwettbewerbs einfließen. Dieser gilt der vom Senat anvisierten Randbebauung des Feldes, womit genau und in welcher Menge bleibt offen. Diese Vorgehensweise erscheint wie ein Werbefeldzug zur Bebauung. Ob ein neuer Volksentscheid stattfinden soll, ist bisher ungeklärt. Und ob die Berliner dann über das vom derzeitigen Senat gewünschte Ergebnis positiv abstimmen würden, bleibt mehr als fraglich. Der geltende Volksentscheid wurde höchstdemokratisch von der Bevölkerung erarbeitet und nicht als »Ansage von oben« konzipiert. Abgesehen davon ist es in Zeiten der Klimakrise, verschwindener Flora und Fauna sowie gesundheitsbeeinträchtigender Umstände unverantwortlich, irgendwelche Freiflächen zuzubetonieren.
Dies wurde auch in etlichen Gesprächen beim Saisonstart am 27. April auf dem Tempelhofer Feld am Info-Container thematisiert. Unverständlich blieb vielen Besuchern, wieso überhaupt darüber nachgedacht wird, die größte Freifläche Berlins, auf der jeder sein ruhiges Plätzchen findet, obwohl drumherum das Leben tobt, mit teurem Wohnraum zuklatschen zu wollen. An fünf unterschiedlichen Thementischen wurde informiert, diskutiert, gerätselt und gebastelt. Die Button-Maschine war nicht nur für Kinder eines der Highlights des Nachmittags. Die Führungen zu den Schafen mit ihren Lämmchen war sehr beliebt, Bernd Kohlemann war mit seiner Rikscha zur Stelle und fuhr Besucher hin und her, Feldkoordinatoren (FeKos) hatten ein tolles Quiz und Preise parat, das Feldliebe-Programm für den Mai wurde erläutert, eine Müll-Sammel-Aktion mit Preisen belohnt und der zukünftige FeKo-Stammtisch geprobt. Zwei Vertreter der Hundeliebhaber plus brave Vierbeiner erläuterten ihre Ideen zu den Hunde-Ausläufen auf dem Feld, die an Wochenenden von 500 bis 800 Fellknäulen genutzt werden.
Nach Ende des Saisonstarts gab es einen sonnigen, gemütlichen Ausklang im gut besuchten »Tempelgarten«, in dem am 16. Mai ab 18 Uhr der nächste FeKo-Stammtisch stattfinden wird. bs