Anton Sternad

Ein Neuköllner Pirat mit Herz

Von den kleinsten Dingen begeistert, impulsiv, nirgends verhaftet. Die Zeitqualität mit ihm war fett.
Mit ihm waren Wunder alltäglich – seine Freunde hätten sich fast an sie gewöhnen können, und dann zauberte er wieder etwas ganz besonders passendes hervor. »Antonov der Superfrachter« brachte was gerade gebraucht wurde: Ersatzteile, Möbel, Lebensmittel, manchmal skurile Dinge und auch mal superschwere Sachen. Eine ganze Tausch- und Schenkegesellschaft.
Er betrachtete dabei alles immer mit seinen schnellen schlauen Augen. Er beobachtete überhaupt viel. Im Kloster, wo er ein Jahrzehnt verbrachte, durfte er sich nicht äußern, nur be­obachten und arbeiten.
Er verlor nicht viele Worte über sein Engagement. Ob er Hinterhöfe begrünte, Rübezahl oder Schillergarten mit aufbaute, Kronkorken mit einem Magneten jeden Tag einsammelte, weil diese niemals verrotten würden, den langweiligen Platz vor der Genezarethkirche in eine Oase mit meterhohen Blumen verwandelte oder seinen Ersatzteillagerkeller bestückte, den alle liebten – immer machte er alles mit viel Herz.
Eine kaputte Tasse, eine Krise oder die Wegwerfgesellschaft waren Anstoß und Motiv seiner Kunst.
Die Richtungslinien in Antons nach oben strebenden Kunstwerken sind zugunsten des dynamischen Ausdrucks schief und schräg und dabei fest verankert. Er zelebrierte die Schöpfung. Was er sah, erlebte er tief. Er sagte, es sei für ihn wie fernsehen.
Es gab in Antons Leben mehrere Transformationen und Metamorphosen, er hat sich selbst überholt. Ein schillerndes breites Spektrum. Eine Schlagfertigkeit und Situationskomik, wie es sie einmal in 100 Jahren nicht gibt. Er kannte Enthaltsamkeit und Hunger. Armut und Wohlstand. High life und tiefes Empfinden. Sein Leben war äußerst kontrastreich. Klostermauern, Keller, Ruinen, aber auch geile Buden, in die er mal eine Kuppel, mal ein Podest baute. Zirkus und Kempinski. Er war Stuckateur, Hausmeister, Handwerker, Gärtner und, und, und. In letzter Zeit lebte er als Tiefstapler, doch Kenner erkennen Qualität.
Es ist schon ein Wunder, dass so eine außergewöhnliche Seele unter uns weilte.
Mit ihm blühten üppig die Großzügigkeit, Originalität, Freiheit und der Humor.
Es war jedesmal ein Glücksfall, sich zu treffen. Ganz freestyle – im freien Fall. Man fällt nicht tiefer als in Gottes Hand. Antons Motto war »Ich lebe von Überraschungen, die größer sind als gar keine.«
Eine Wucht wie Anton es war, ist für ein menschliches Herz viel zu groß.
Anton verstarb im Juli dieses Jahres.
Seine trauernden Freunde Andi, Irie, Loki, Matti, Lena, Deniz, Josi und andere.