Wenn die Liesl natürlich weint

Ökologische Sinnesfreuden in bewährten Räumen

Weintrinker können sich in Neukölln wahrlich nicht beschweren über ein zu knappes Angebot an Weinläden mit gut kuratierter Auswahl und Beratung wie auch Weinlokalen zum außerhäusig geselligen Konsum, gerade auch von zeitgemäß nicht industriell hergestellten Tropfen. Ob »jaja«, »Mosto«, »Motif Wein« oder zuletzt das schnieke neue »Le Balto« in der Hobrechtstraße – alle setzen auf persönliche Weinentdeckungen ohne die lange Zeit üblichen Zusatzstoffe und Hilfsmittel. So nun auch das »Liesl«.

Tropfen am Tresen.    Foto: hlb

Künstler, Innenarchitekt und Gastronom Peter Großhauser, der letztes Jahr zurück in die bayerische Heimat ging, machte 2011 aus einem Ex-Puff in der Nogatstraße eine atmosphärische Kneipe namens »Liesl«, nach Karl Valentins kongenialer Partnerin Liesl Karl­stadt benannt. Die hatte zuletzt ihre Last mit geräuschempfindlichen Nachbarn und gab gefrustet auf, wurde nun aber Mitte Juli neueröffnet von Wolfgang Baumeister. Der nicht minder überzeugte Bayer und gelernte Gartengestalter aus Gilching westlich von München mag Genuss, vor allem mittels Wein, und hat eine Hand für nicht alltägliche Stöffchen mit Charakter. Viele kennen Baumeister aus seinem Laden »SinnesFreude« oder dem »Peppikäse-Salon«, wo er bereits Naturweine, biodynamische oder Demeter-Weine sowie Orange Wines präsentierte und verkaufte.
Orange erlebt seit Jahren eine Renaissance als vierte Weinfarbe. Auch in der »Liesl« gibt’s hochwertige Orange Wines von renommierten Weingütern und jungen Newcomern. Am besten von Baumeister etwas empfehlen lassen, denn die Karte beschränkt sich zunächst ganz allgemein auf Haus- (österreichischen Veltliner oder Zweigelt für 6,50 Euro das Viertel), Natur- (weiß/rot) und Orangewein. »Rollberg« Bier (Hell/Rot) vom Fass gibt es aber auch.
Sommerlicher »Haussprudel« der »Liesl« ist ein Pet Nat (spontanvergorener Schaumwein, der nur Eigenzucker und -hefe des Mosts nutzt) namens »Just B«, in der Nase wie Federweißer, mit knackiger Säure und Trockenheit und sehr erfrischend, wenn auch für 23 Euro die Flasche. Generell setzt Baumeister bei der Auswahl der Winzer, deren Porträts auch im Tresenraum hängen, auf deren Nachhaltigkeit und fokussiert sich auf familiengeführte Güter und biodynamischen Landbau, wo der neue Geist des Weinbaus gedacht, geatmet und gelebt wird und im Einklang mit Natur und Kultur des jeweiligen Terroirs »ehrliche« Weine erzeugt werden. Ein Verkaufsraum dafür ist im »Liesl« schon in Planung.
Auch die Küche wird noch ausgebaut, doch gibt es jetzt schon eine stattliche Vesperauswahl aus »Peppi«-Rohmilchkäsen, fermentierten Gemüsen, veganen Aufstrichen, Sardinen oder Langjägerwürsten zu »Taktil«-Sauerteigbrot. Und so ist die neue alte »Liesl« drei Abende die Woche, ob im gediegen-dunklen Gastraum oder auf den Bierbänken draußen, eine gern angesteuerte, bewusste Genusswirtschaft für Sinnesfreudige.

hlb
Weinwirtschaft Liesl, Orange Wines & Sinnesfreude, Nogatstr. 30, Do – Sa 18 – 23 Uhr, Facebook: Liesl, Instagram: lieslwein