Nachruf Waldemar Schwienbacher

Trauer um die Seele des »Schillers«

Waldi ganz lässig.    Foto: Felix Hungerbühler

Eines der besten zweiten Wohnzimmer und Partyzonen gab es bei Waldemar im »Schiller‘s«. Das ist nun nicht mehr, denn Waldemar, von seinen Gästen auch Waldi genannt, erlitt am 13. November einen Herzinfarkt und konnte nicht wiederbelebt werden.
Vor zehn Jahren wurde Waldemar Barkeeper des »Schillers«. Damals sah die Eckkneipe noch ganz schön rumpelig aus. Viele kleine Renovierungen und Verschönerungen machten das »Schiller‘s« zu einem Ort, der vieles war: Wohnzimmer, Billardsalon, Treffpunkt von Gruppen, das Zuhause von alleinlebenden Neuköllnern. Spät abends konnte es schon mal passieren, dass eine Party stattfand, die dann bis in die Morgenstunden dauerte. Unzählige Male wurde im Kiez die Frage gestellt »Gehen wir noch auf einen Absacker ins »Schiller‘s«?« Und schon wurden aus einem Absacker auch zwei und mehr.
Das alles war nur möglich, weil Waldemar so war, wie er war. Mit seinen 73 Jahren hatte er eine seelische Ausgeglichenheit, die nahezu unerschütterlich war. Es kam selten vor, dass ihm der Kragen platzte und er mit jemandem in Streit geriet. Wenn so etwas passierte, konnte er sich auch wieder vertragen.

Stilles Gedenken.    Foto: me

Frauen spielten für ihn eine ganz besondere Rolle. Da setzte der Südtiroler seinen gesamten Charme ein. Je jünger die Frauen waren, desto charmanter. Bei Männern hingegen konnte er schon launisch sein, aber sein Bier hat jeder bekommen. Für seine Stammgäste stand das Getränk bereits auf dem Tisch, wenn sie den Raum betraten. Wie er das gemacht hat, ist vielen ein Rätsel geblieben.
Als vor einem Jahr die Kündigung der Kneipe auf seinem Tisch lag, dachte er im ersten Moment, dass das nun das Ende sei. Da hatte er sich aber mächtig getäuscht. Der Schillerkiez wollte nicht auf das »Schiller‘s« verzichten. Jeder unterstützte Waldemar nach seinen Fähigkeiten: Die Presse nahm Anteil, Unterschriftenaktionen wurden durchgeführt, völlig Fremde wurden aufmerksam und beteiligten sich an den Aktionen. Gemeinsam wurde das erreicht, woran Waldemar nicht wagte zu glauben: Das »Schiller‘s« wurde gerettet.
Für Waldemar war es die Rettung vor dem Ruhestand, denn mit dem konnte er gar nichts anfangen. In einem Interwiew sagte er: »Ruhestand ist der Warteraum für das Jenseits.« Er konnte sich nicht vorstellen, ohne Arbeit zu sein. Den ganzen Tag fernsehen, nicht gebraucht zu werden und den Sessel durchsitzen, nein, das war nicht sein Ding. Ihn hat die Arbeit jung gehalten, auch wenn ihm das Tragen etwas schwer wurde. Für ihn war es wichtig, dass er alle Gäste kannte und diese sich auch gegenseitig kennen. Bei allen durchaus menschlichen Streitereien ist er beherzt dazwischen gegangen. Wenn der Geldbeutel leer war, na, dann wurde ein Deckel gemacht.
Mit dem Tod Waldemars hat der Schillerkiez nicht nur einen wunderbaren Menschen verloren, sondern auch eine Institution und eine Berliner Eckkneipe mit zivilen Preisen.
Der Schillerkiez sagt: Danke für alles, Waldi!

ro