Ach ja, 100 Jahre Großsiedlung Britz

An den Problemen hat sich offenbar nichts geändert

Dem eklatanten Wohnungsmangel Berlins nach dem 1. Weltkrieg effektiv zu begegnen, war das vorrangige Anliegen des Schöneberger und späteren Berliner Baustadtrats Martin Wagner. Sein Ziel war es, trotz Hyperinflation, Bankenkrise und Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik, mit staatlicher Förderung und Obhut moderne lebenswerte Wohnsiedlungen mit für jedermann erschwinglichen Mieten zu bauen. Mit der Großsiedlung in Berlin Britz begann der soziale Mietwohnungsbau.

Hufeisensiedlung wird gefeiert.   Foto: rr

Artikel 155 der Weimarer Verfassung legte fest, »dass jedem Deutschen eine gesunde Wohnung, und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsstätte« zustehe. Vor Baubeginn noch wurde aus politischen Gründen das Britzer Siedlungsprojekt zweigeteilt. Ab 1925 entstanden parallel zur Fritz-Reuter-Allee die Hufeisen- und die Krugpfuhlsiedlung. Eine Bekämpfung der Wohnungslosigkeit blieb unerreicht, auch die Mieten dieser Sozialbauten konnten sich die »minderbemittelten Volksklassen« nicht leisten, weshalb hier überwiegend Facharbeiter, Angestellte und Beamte einzogen.
Die von Martin Wagner und Bruno Taut geschaffene Hufeisensiedlung ist jetzt denkmalgeschützt und Weltkulturerbe. Beide Siedlungen feierten gerade ihre 100 Jahre Jubiläen. Am 5. Juli die Bewohner der Krugpfuhlsiedlung, die diesen Jahrestag selbst organisierten und finanzierten. Vertreter des heute immer noch staatlichen Erbauers DEGEWO erschienen nicht. Ende Juli zog die Hufeisensiedlung nach. Die heute aktionärs­orientierte Besitzerin »Deutsche Wohnen/Vonovia« lud zusammen mit der staatlichen Berliner UNESCO-Behörde zu einem viertägigen, aufwendig orchestrierten und gemanagten Pomp- Event, samt Politikern und Presse.
Wofür einst diese Siedlungen standen, nämlich für einen sozialverträglichen, solidarischen Mietwohnungsbau, blendeten die Jubiläen leider aus. Wie damals fehlen heute wieder massenhaft Wohnungen. Das hat auch die Politik zu vertreten, die, wie auch schon damals, plötzlich jegliche Förderungen beendete und alle Steuererleichterungen für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau strich und dann auch noch ihren eigenen, gemeinnützigen Wohnungsbestand verschleuderte.
Da begann die Zeit der »Heuschrecken«, wie Karl-Heinz Peters, langjähriger Vorstandsvorsitzender der GEHAG und unermüdlicher Kämpfer für die Gemeinnützigkeit, die auf Rendite bedachten Anlagetrusts nennt.
Bestandsmodernisierungen sind derzeit, auch wegen der Bürokratie, längst lukrativer als Neubau, und da schwimmen die staatseigenen Baugesellschaften mit. Tausende verzweifelte Wohnungssuchende bleiben so auf der Strecke und letztlich auch der Staat, weil für Wohngeldbezieher immer höhere Mietzuschüsse anfallen.
Heutige Gesetze zum Wohnungsbau befreien den Staat von (s)einer Fürsorgepflicht, und der »Freie Markt« kennt nur den eigenen, maximalen Profit.

rr