
Protest gegen Femizide vor dem Rathaus Neukölln
Rote Schuhe auf der Treppe zum Rathaus Neukölln, daneben Kerzen und Blumen. Mitarbeitende von Frauenhäusern und Beratungsstellen gegen häusliche Gewalt haben sie aufgestellt, um einer 37-jährigen vierfachen Mutter aus Britz zu gedenken, die am 17. April erstochen wurde – mutmaßlich von ihrem Ex-Partner. Sie ist bereits die dritte Frau in Berlin, die allein im April von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurde. 29 waren es im vergangenen Jahr nur in Berlin.
Die Veranstaltung am 7. Mai war Teil der Aktion »Rote Schuhe«, bei der Anti-Gewalt-Projekte bei jedem Femizid vor dem Rathaus des betroffenen Bezirks zusammenkommen, um ein Zeichen gegen patriarchale Gewalt zu setzen und ihren politischen Forderungen Ausdruck zu verleihen.
Gewalt gegen Frauen sei kein »Beziehungsdrama« und auch keine Privatangelegenheit, hieß es in einem der Redebeiträge. Deshalb sei die Politik in der Pflicht, gegenzusteuern. Dringend nötig sei der Ausbau von Frauenhausplätzen – in Berlin fehlen derzeit 486 Schutzplätze für gewaltbetroffene Frauen – sowie ein besserer Schutz durch effektiv kontrollierte Annäherungsverbote. Auch die Arbeit mit den Tätern müsse stärker in den Blick genommen werden. In Berlin gebe es nur zwei Einrichtungen zur Prävention von Partnergewalt, und die seien auch noch chronisch unterfinanziert. »Das ist nicht nur tragisch, das ist politischer Verrat«, rief eine der Rednerinnen.
Außerdem brauche es verpflichtende Schulungen für Polizei, Justiz und Behörden, denn trotz Reformbestrebungen im Familienrecht erleben gewaltbetroffene Frauen weiterhin, dass sie im Namen des Umgangsrechts Kontakt zu Tätern halten müssen – mit gravierenden Folgen für ihre Sicherheit und die ihrer Kinder.
Bezirksbürgermeister Martin Hikel sagte, die Nachricht von der Ermordung einer Frau solle uns nicht nur für einen Moment in Schockstarre versetzen, sondern müsse dazu führen, dass alles getan werde, um Strukturen, die zu derartigen Taten führen, aufzubrechen. Er gab aber auch zu, dass die Verwaltung aufgrund der finanziellen Lage dabei an Grenzen stoße.
»Männer nehmen sich heraus, Frauen zu kontrollieren, zu schlagen, zu töten«, sagte Bahar Haghanipour, Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses und Sprecherin für Frauenpolitik und Gleichstellung der Grünen-Fraktion. Auch sie forderte mehr Täterarbeit und eine Sensibilisierung der Familienrichter bei Streitigkeiten über das Umgangsrecht. »Wir müssen dafür kämpfen, dass jede Frau ihr Leben leben darf ohne patriarchale Gewalt.«
»Solange sich politisch nichts ändert, solange Männer nicht wirksam daran gehindert werden, ihre (Ex-)Partnerinnen zu töten, solange werden wir unseren Alltag unterbrechen, um dieser Frauen zu gedenken«, erklärte eine Sprecherin der »Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen« (BIG).
Auch die Bezirksverordnetenversammlung am 28. Mai beschäftigte sich mit dem Thema in ihrer aktuellen halben Stunde und mit einer Entschließung, die inhaltlich den Forderungen der Demo folgte. »Neukölln darf kein Ort sein, an dem Gewalt gegen Frauen hingenommen wird. Jede Frau hat ein Recht auf Schutz, Sicherheit und ein Leben in Freiheit – überall und jederzeit«, heißt es darin.
Mit 41 Ja-Stimmen der 43 anwesenden Bezirksverordneten wurde die Entschließung verabschiedet. Lediglich die AfD enthielt sich.
mr