Umstrittene Straßennamen

Karl Heinrich von Schönstedt – ein stramm konservativer Justizminister

Illustration from 19th century.

Der Politikwissenschaftler Felix Sassmannshausen hat ein Dossier erstellt, in dem er Straßennamen mit antisemitischem Bezug in den Blick nimmt. 18 davon befinden sich in Neukölln. Die Kiez und Kneipe stellt die Namensgeber vor.
Die Schönstedtstraße zwischen Rathaus und Amtsgericht verbindet Karl-Marx-Straße und Sonnenallee. Benannt ist sie nach dem preußischen Justizminister Karl Heinrich von Schönstedt.
Als Sohn eines Richters am 6. Januar 1822 in Broich bei Mülheim an der Ruhr geboren, trat er nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Bonn 1853 in den preußischen Justizdienst. Nach verschiedenen Stationen im richterlichen Dienst trat er im November 1894 als Nachfolger Hermann von Schellings das Amt des preußischen Justizministers an, das er elf Jahre lang ausübte. Er war der erste Justizminister in Preußen, der keine Karriere in der Ministerialbürokratie hinter sich hatte, sondern aus der Gerichtsbarkeit kam.
Bei Sozialdemokraten, Linksliberalen und Zentrumsanhängern machte er sich durch seine konservative Amtsführung und die Befürwortung des entschlossenen Kampfes gegen Sozialdemokratie und Gewerkschaften mit rechtlichen Instrumenten zunehmend unbeliebt. Zwar ermöglichte seine Personalpolitik auch Zentrumsanhängern den Aufstieg in hohe Stellen in der Justizverwaltung, Anhänger der SPD blieben dagegen in seiner Amtszeit bis ins 20. Jahrhundert hinein ausgeschlossen.
Auch für jüdische Bewerber für Stellen im preußischen Justizdienst verschlechterten sich deren Aussichten nach Schönstedts Amtsantritt. Sie hatten geringere Chancen, an Richterposten zu gelangen. Bei der Vergabe von Notarstellen wurden jüdische Rechtsanwälte ebenfalls gezielt benachteiligt. Auch als Schöffen und Geschworene wurden Juden in Preußen nicht mehr im gleichen Umfang wie andere Bürger herangezogen.
In einer Parlaments­debatte 1901 gab Schönstedt zu, dass es solche Behinderungen gab, und begründete sie damit, dass er dem Misstrauen weiter Kreise gegen die Juden habe Rechnung tragen müssen.
Im November 1905 trat Schönstedt zurück. Während des »Königsberger Hochverratsprozesses« gegen neun deutsche Sozialdemokraten, darunter den späteren preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun, denen die Staatsanwaltschaft den Schmuggel »anarchistischer« Schriften nach Russland, »Geheimbündelei« und Beleidigung des russischen Zaren vorwarf, hatte Schön­stedt vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus den Königsberger Angeklagten vorgeworfen, sie hätten Schriften anarchistischer russischer Terroristen schmuggeln wollen und entsprechende Mordaufrufe zitiert. Das sorgte für Empörung und führte dazu, dass er politisch nicht mehr zu halten war. Er blieb aber bis 1918 Mitglied des Herrenhauses.
Schönstedt starb am 31. Januar 1924.
Sassmannshausen regt weitere Forschung und Kontextualisierung an.

mr