»Essbare Stadt«

Aber nicht in Neukölln

Bei mundraub.org steht, dass in Neukölln keine Fundstellen für Kräuter bekannt sind. Das muss das Grünflächenamt gefreut haben. Ich wollte mit einer Freundin Ruccola aus der Lessinghöhe holen, um uns einen leckeren Salat zu machen und stellte fest, dass dort alle Bepflanzung an den Wegrändern weggesichelt war. Bei einem Anruf im Grünflächenamt wurde mir erklärt, dass auf Wunsch der Polizei die Sicht unter die Büsche verbessert werden sollte, da der Park hin und wieder von Wohnungslosen zum Übernachten genutzt würde. Dumm nur – unter die Büsche kann man auch jetzt nicht gucken – und trotzdem wurden massenhaft Nutzpflanzen vernichtet.

Ansbach
Bohnen für die Bürger.                                                                                                                                     Foto: Andernach pf

Eigentlich gilt für die Bezirke, dass sie peu à peu »Essbare Stadt« werden sollen, doch unser Bezirk entfernt sich mit dummen Ausreden von diesem Ziel. Vor zwei Jahren wurde der Antrag der Grünen »Essbare Stadt« werden zu wollen, in der BVV abgelehnt, mit ähnlich hanebüchenen Argumenten, wie bei dem Telefonat mit mir. Damals hieß es, Personalmangel verhindere den Obstbaumschnitt.
Pankow ist uns da in vielem voraus: Der Bezirk wurde vor zwei Jahren »Essbare Stadt«. Seitdem werden dort konstruktiv folgende Fragen erörtert:
– Welche Standorte im Bezirk (Parks, Grünflächen, Straßengrün, Spielplätze, Schulhöfe) kommen für Nutzpflanzen in Betracht?
– Welche Arten von Nutzpflanzen können wo (insbesondere im Innenstadtbereich) angebaut werden?
– Welche Kosten entstehen dem Bezirk im Vergleich zur herkömmlichen Bepflanzung?
– Wie lässt sich Vandalismus verhindern?
– Welche Schadstoffbelastung verursacht der Straßenverkehr bei den Pflanzen?
– Wie lässt sich hierbei eine breite und angemessene Bürgerbeteiligung umsetzen?
– Welche Zielkonflikte können beim Anbau der Pflanzen entstehen?«
Andernach war die erste »Essbare Stadt« in Deutschland. Das Motto dort heißt:
»Aktionsraum für die Bürger«.
Öffentliche Grünanlagen sind für alle da! Warum diese also nur als Fläche der Kommune sehen und nicht als Aktionsraum für die Bürger? Andernach geht mit dem Konzept der multifunktionalen »Essbaren Stadt« neue Wege, lässt öffentlichen Grünräumen neue Funktionen zukommen und motiviert die Bürger, sich für den Lebensraum in der eigenen Stadt einzusetzen. Die Nutzpflanzen machen nicht nur die Jahreszeiten wieder bewusst erfahrbar, sondern auch die natürlichen Phasen von Säen, Wachsen und Ernten.
In Andernach heißt es »Pflücken erlaubt« und nicht »Betreten verboten«. Dieses Motto wünsche ich mir auch für Neukölln!

Eva Willig