»Mitten drin draußen – Ohne Obdach in der Stadt«

Ausstellung im Rathaus Neukölln

»Zelten vorm Vermieter«. Foto: Matthias Coers

Auf einer Neuköllner Hauswand prangt der Spruch: »Zu Hause bleiben kann nur, wer eins hat«. Diese wenigen Worte bringen die besonderen Schwierigkeiten von Obdachlosen in der Pandemie auf den Punkt. Eine Aufnahme des Spruchs und viele andere Fotos sind derzeit in der Ausstellung »Mitten drin draußen – Ohne Obdach in der Stadt« des Filmemachers und Fotografen Matthias Coers im Rathaus Neukölln zu sehen.
Mit Interviews und Fotos nähert sich Coers der Alltäglichkeit von Obdachlosigkeit in Berlin an – mit Blick auf die Obdachlosen und ihre Perspektive, aber auch auf die Perspektive engagierter Menschen in der Obdachlosenhilfe.
»Aus meinem filmischen Denken heraus ist es mir wichtig, Wesen und Erscheinung eines gesellschaftlichen Themas erfahrbar und verstehbar zu machen. Dabei kann nicht gesagt werden, dass Bild nur Erscheinung ist und das Wort, die Reflexion das Wesen, beides enthält beides. Ein Blick kann mehr sagen als tausend Worte, ein Bild erzählt selber Geschichten. Worte können erläutern und verstehbar machen, aber auch verstellen und ablenken«, so Matthias Coers.
Stadtrat Jochen Biedermann ergänzt: »Zum Schutz vor der Pandemie wird es draußen nun wieder leerer werden, aber deswegen verschwindet die Obdachlosigkeit nicht. Sie ist in Berlin allgegenwärtig, nur sieht man sie nicht immer auf den ersten Blick. Matthias Coers zeigt das in seinen Bildern ohne Voyeurismus und Sensationslust und immer mit einem Blick für die Gegensätze in der Stadt.«
Matthias Coers weiter in seinem Kommentar: »Beim Thema Obdachlosigkeit erscheint es mir als zwingend, die Portraitierten auch zu Wort kommen zu lassen, da es nicht um Ästhetisierung gehen soll oder reißerische Motive. Es geht eher um das erschütternd Gewöhnliche, Schlichte, die brutale Normalität dieser Situation. So soll die Bildsprache sein, unaufgeregt, zugewendet, respektvoll. Aus den Interviews und Gesprächen mit den Portraitierten soll deren Perspektive auf ihre Lebenssituation und -umstände für die Betrachter_innen der Bilder aufscheinen.
Ebenso die Selbsteinschätzung und Motivation im Bereich der Engagierten und Arbeitenden. Es geht aber nicht darum, die ganzen Interviews wiederzugeben, sondern nur einige zentrale Aussagen der Protagonist_innen. Es geht auch nicht darum, einzelne Fragen bei jeder/m abzugleichen, sondern durch unterschiedlichste prägnante Formulierungen und Gedanken das Thema der Obdachlosigkeit verstehbar zu machen. Verstehbar deshalb, um es nicht als gesellschaftlichen Naturzustand abzuhaken, sondern als spezifische harte soziale Verwerfung, eine Gegenwartsfrage, die uns alle angeht.«

pm
Bis zum 27.11. sind die Fotos im Rathaus Neukölln im BVV-Saal und Foyer 2. OG zu sehen.