Kiezgespräch

Winter vor der Röhre

KuK: Was bewegt Sie in Ihrem Kiez?
Reiner: Was beschäftigt mich … Dass wir wieder zu Hause bleiben müssen. Dass ich meine Kollegen erstmal nicht sehen werde und dass ich meine Schwester nicht besuchen kann. Ganz einfach. Meine Schwester ist im Altenheim und ja, unter Einhaltung bestimmter Regeln konnte ich sie hier und da besuchen, aber jetzt? Nee. Mach ich nicht mehr. Ich werde im Corona-Hotspot Neukölln sicher nicht meine Familie gefährden. Vor allem, weil ich nicht mehr viel Familie habe. Was meine Kollegen betrifft, naja. Wo sollen wir uns denn treffen? Die Kneipen sind wieder zu, ich stehe nicht gern irgendwo auf der Hermannstraße vor einem Spätkauf, also wohin mit mir? Zu Hause ist nicht viel los, da guck ich mal in die Röhre. Ich muss mir für den langen Winter noch irgendwas einfallen lassen. Ein neues Hobby? Nee, was denn? Ich werde wahrscheinlich kein großer Koch mehr, und mit Stricken fange ich sicher nicht an. Ein Thema, das mir noch einfällt, ist der ÖPNV. Schon im ersten Lockdown fand ich es schrecklich, dass die BVG als Reaktion auf die Krise die Frequenz der U-Bahnen gesenkt hat. Was soll das bringen? Dass mehr Leute gleichzeitig in den Zügen und Bussen sitzen? Das soll mal einer verstehen.
KuK: Gibt es auch etwas Schönes zu vermelden im Kiez?
Reiner: Schwer zu sagen. Schön nicht, aber eine Sache, die mir positiv auffällt, ist, dass sich die Polizei gerade dafür einsetzt, dass die Leute endlich die blöden Dinger (Mund-Nasen-Schutz, Anm. d. Red.) auch wirklich tragen. Ich muss oft zum Arzt und sitze deshalb viel in der U-Bahn. Ich werde niemanden ankreiden, ich finde es nur verantwortungslos, dass einige Leute gar nicht kooperieren. Ich weiß nicht, ob die das demonstrativ machen oder einfach vergessen, aber ein Mindestmaß an Anstand darf man haben. Ich würde mich freuen, nächstes Jahr meine Schwester wieder besuchen zu dürfen.

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*Reiner, Treptower Str.
(Name geändert)