Schulwahl wird zur Qual

Kampf um die Wunschschule – ein Einzelfall?

Eine wichtige Information ist schon lange in der Berliner Elternschaft angekommen: Die ersten Schuljahre ihrer Sprösslinge sind für den späteren Lernerfolg und die Integration in die Gesellschaft von enormer Wichtigkeit. Das spiegelt sich auch in Zahlen. Laut Tagesspiegel haben Eltern in weit über 10.000 Fällen versucht, für ihre Kinder eine andere Schule zu finden als die vom Bezirksamt zugewiesene. Bei 33.000 Erstklässlern entspricht dies etwa einem Drittel. Diesem Elternwunsch kann nicht immer entsprochen werden.
In Neukölln ist das nicht anders. An einem Beispiel wird erläutert, wie ein Schulwunsch zu einer Odyssee werden kann.
Die Geschichte von Paula* beginnt im Jahr 2017. Die Eltern Sven und Cäcilie entschlossen sich, ihre Tochter in einer freien Alternativschule in Berlin-Neukölln einzuschulen. Im Mai des Jahres sprach Sven bereits mit der Schulleitung und bekundete sein Interesse an der Einschulung seiner Tochter für das Schuljahr 2019/2020. Ihm wurde bekundet, dass er ja richtig früh sei und es deshalb keine Probleme mit dem Wunsch der Eltern geben würde. Präsenz zu zeigen sei immer gut.
Vielleicht hätten Sven und Cäcilie schon hier etwas misstrauischer sein sollen, denn keine einzige ihrer bisher geschriebenen Emails wurde beantwortet. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden ausschließlich Fenstergespräche statt.
An den Tagen der Offenen Tür 2017 und 2018 nahmen die engagierten Eltern selbstverständlich teil. Da wurde ihnen von der Schulleitung versichert: »Das klappt schon«. Und ihnen wurde garantiert, dass nicht gelost, sondern geschaut werde, ob es passt. Paula passte. Sven spendete der Schule einen Computer im Wert von 800 Euro. Damit wollte er zeigen, dass er Interesse an der Schule hat und sich über die Zusammenarbeit freut. Der Kontakt ging so weit, dass die Schulleitung Sven eine Zusammenarbeit anbot. Das klappte dann aber doch nicht. Genauso wenig klappte es 2019 mit dem Schulplatz. Da wurde dann doch gelost. Gelost wurde angeblich, weil Paula zu schüchtern sei. Sie solle noch »nachreifen«, aber für das Schuljahr 2020/2021 »klappe das schon«.
Wieder sind die Eltern drangeblieben. Als sich die Schule nach einer größeren Liegenschaft umschaute, stellte Sven seine gesamten Netzwerke zur Verfügung. Viele Ideen für die Schule wurden weiterentwickelt, mit möglichen Aktivitäten für die Schüler: Siebdruck, Malerei, Bauen im Stadtgarten und Ausflüge in den Brandenburger Wald. Dieses Engagement von Cäcilie und Sven schien etwas surreal gewertet zu werden: Am nächsten Tag der Offenen Tür, dem dritten, an dem sie teilnahmen, wurde anderen Interessenten ein Sven präsentiert, der bereits seit 2017 versucht, an die Schule zu kommen. Sven empfand dies als eine Machtdemonstration der Schulleitung.
Dann kam Corona. Die Eltern zitterten mit der Schulleitung, die nun zu kämpfen hatte. Endlich kam das ersehnte Gespräch mit Paula und einem Elternteil. Nur ein Elternteil wegen Corona. Im Raum angekommen umringten fünf Personen der Schulleitung – ohne Maske – die beiden. Wenige Tage später kam eine SMS mit dem Wortlaut, dass für Paula kein Platz in der Gruppe gefunden werden konnte. Am Ende hätte dann doch das Los entschieden. Das ist für die Eltern schwer zu verstehen: Aus einem zugesicherten Schulplatz mit Platz 1 auf der Warteliste ist nun eine Ablehnung geworden.
Cäcilie und Sven haben eine freie Alternativschule für ihr Tochter gefunden: In Waidmannslust gibt es eine. Sie ist beliebt. Eltern ziehen aus anderen Städten nach Berlin, um ihre Sprösslinge in eben dieser Schule unterzubringen. Die tägliche Fahrzeit für die Eltern beträgt zukünftig allerdings mindestens 45 Minuten für eine Strecke. Sven hat seine Computerspende zurückgefordert.

*Name von der Redaktion geändert.
ro