»Wo Ätnaglut im Gaumen tanzt«

Typisch Sizilianisches auf Neuköllns Märkten

Die süditalienische Leidenschaft für gegrilltes Schaf und Lamm, für frittierte Reisbällchen, saftige Pane und viele Gaumenvergnügen mehr infiziert seit Juni risikolos Besucher der Märkte auf dem Hermannplatz und samstags auf dem Kranoldplatz. »Tipico Siciliano« nennt sich der außergewöhnliche Street-Food-Stand, der mit Stolz ein stadtweit überraschendes Angebot an rustikalen Spezialitäten des wilden Siziliens feilbietet.

Grill im Trubel.     Foto: hlb

Alle Stadtbewohner und -besucher von der Sonne sizilianischer Gastronomie zu überzeugen, ist der Antrieb dreier Männer aus Marsala, die hier täglich begeisternd und ehrgeizig deftige traditionelle Spezialitäten ihrer Heimat zubereiten und servieren – überzeugt, gekonnt und leidenschaftlich. In dieser besonderen Imbissbude mit ihren gut gefüllten Kühl- und Warmauslagen finden sich keine gewöhnlichen Mafiatorten, sondern weichbodige Sfincione, zudem feine Fleischwaren (bis hin zum Pferdebraten) zum Grillen und Burger-Belegen, vielfältige Würstchenspieße oder auch hausgemachtes Süßes für danach oder zwischendurch.
Vito Licari, Giuseppe Rallo und Giovanni Angileri, allesamt um die 30 und Freunde der Metzgerskunst, sind die drei Chefs, die außer den – sehr wenigen – Getränken bewusst möglichst ausschließlich Lebensmittel und Zutaten aus Trinacria (früherer Name des autonomen Siziliens), bis hin zu Brot und Reis, beziehen, um das Flair und die Tradition ihrer geliebten Küche in unsere Mägen zu bekommen.
Vito und Giuseppe kamen vor drei Jahren aus Marsala im äußersten Westen Siziliens nach Berlin, um in der Baubranche zu arbeiten, lernten derweil Landsmann Giovanni kennen und heckten zusammen aus, wie sich die Stadt von unten für typisch sizilianisches Essen begeistern ließe. Jobs wurden gekündigt, ein Imbisswagen gekauft und restauriert und nach Lieferanten für Delikates direkt aus Marsala und Messina recherchiert. Auf dem Hermannplatz, direkt unter der Tanzpärchen-Statue, fanden sie den richtigen Platz, um ihre Mission zu beginnen.
Das Durchkosten empfiehlt sich mit den gehaltvollen panierten Reisbällchen Arancine zu beginnen, die mit Aubergine-Zucchini-Paprika, Hackfleisch/Ragù oder Mozzarella mit Spinat, Schinken, Salsiccia-Wurst oder Lachs gefüllt sind. Panelle respektive Cazzilli, die palermitanischen Kroketten, das weichfeste Cunzato-Brot oder auch panierter Mozzarella sind gute Begleiter für die Fleischentdeckungen: Rinder- und Schweinesteaks, Würstchen gefüllt mit Spinat, Petersilie, Rucola, Tomate, Käse wie Gorgonzola, Provola oder Parmesan oder Nero d‘Avola-Wein. Spieße mit Schaf oder um Lauch gerollten Lammdarm mögen etwas Mut erfordern, die Desserts weniger: Knackige Cannoli-Rollen, vor Ort mit süßem Ricotta und Pistazien gefüllt, gebratene Ravioli oder Tiramisu sind erlaubte Sünden. Drei eiskörnige Granita-Sorten, sizilientypisch auch in Mandel und mit Briochebrötchen serviert, ziehen die letzten Geschmacksnerven dazu frostig-wohlig-mampfig zusammen.
Etliche Fans haben die tipici siciliani schon. Eine Vergrößerung bis hin zum Franchise und ein Lieferdienst ist angepeilt, der Betrieb, wochenends auch auf der Dicken Linda und dem Friedrichshainer RAW-Gelände, wird fleißig und selbstbewusst aufgebaut. Für ein Frühstück, Mittag- oder Früh-Abendessen auf südeuropäische Lebensart lohnt es sich, jetzt schon mal am Wagen von »Tipico Siciliano« aufzuschlagen, wo sie noch die kleinen Märkte bespielen.

hlb