Riesenrad im Netz

Gespräch mit dem Theaterkollektiv »Grandroue«

Wenn Viktor anfängt, über das Theaterprojekt »Grandroue« (französisch für Riesenrad) zu sprechen, wird seine Erzählung von echter Leidenschaft getragen. Mitten im Gespräch schlüpft er dann in Rollen aus einem der letzten Stücke, beispielsweise in die der Arbeiterin, die zu Corona-Zeiten alle systemrelevanten Berufe auf einmal ausführt, während ihr Ehemann zuhause verschwörerischen Theorien verfällt.

Viktor in Aktion.Foto: pr

»Grandroue« gibt es seit ungefähr zwei Jahren. Innerhalb Neuköllns arbeitet die Gruppe von verschiedenen Standorten aus an ihren Projekten, zuletzt vor allen Dingen aufgrund der Pandemie: »Als es mit den Kontaktbeschränkungen losging, haben wir uns spontan in Produktions-WGs eingeschlossen, immer nur zu zweit oder zu dritt, und haben von dort aus kurze Stücke geschrieben und aufgeführt.« Diese wurden dann live im Internet gezeigt.
»Bei Grandroue haben wir viele der Stücke schon vor Corona über Livestreams auf unserer Webseite grandroue.de gezeigt. Es geht dabei um den globalen Aspekt, denn online können Menschen aus der ganzen Welt zuschauen. In Zukunft wollen wir das erweitern, das heißt mit Kollektiven aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten und Aufführungen aufeinander abzustimmen. Das Theaterstück könnte dann zum Beispiel in Berlin beginnen, die zweite Szene spielt in Südamerika und der Schlussakt wird in Südostasien aufgeführt.« Die dabei entstehende Distanz zwischen Schauspielern und Zuschauern ist in seinen Augen kein Beinbruch: »Ich bekomme zwar häufig zu hören, dass die Nähe zwischen Publikum und Bühne das Alleinstellungsmerkmal von Theater sei, glaube aber eher, dass die Unmittelbarkeit der Stücke das Wichtigste ist, und die besteht ja auch online.«
Inhaltlich möchte »Grandroue« gesellschaftskritisch wahrgenommen werden. Ein wichtiges Thema unter vielen ist dabei der Verdrängungsdruck, der gerade in Berlin für immer mehr Künstler das Aus bedeutet. »Die Situation war für uns schon vor Corona prekär. Überall wurden Galerien, Clubs und Aufführungsorte geschlossen. Die Pandemie könnte jetzt für viele kreative Projekte leider der letzte Sargnagel sein.«
Für funktionierende Lösungsansätze müssten Politiker und Stadtplaner in Viktors Augen progressiver denken: »Berlin hat zwar ein großes öffentliches Verkehrsnetz, jedoch zu stark ausgerichtet auf die Fläche innerhalb des S-Bahnrings. Um mehr geschützte Freiräume für Kreatives zu ermöglichen, müssen Stadtteile weiter draußen besser angeschlossen werden.«
Momentan ist »Grandroue« selbst auf der Suche nach einer kleinen Abstellfläche für zwei Container, um Requisiten zu lagern. Tipps und Hinweise diesbezüglich sind ausdrücklich erwünscht!

mf