Sonder-BVV im Zeichen der Coronakrise

AfD zeigt wenig Interesse an konstruktiver Arbeit und Ansteckungsschutz

»Endlich kann sich die BVV wieder treffen«, freute sich Bezirksbürgermeister Martin Hikel, als nach zweimonatiger Pause die Bezirksverordnetenversammlung am 7. Mai erstmals wieder zusammentreten konnte. Nicht im Rathaus, sondern im großen Saal des Gemeinschaftshauses in der Gropiusstadt, mit Abstand und unter Wahrung aller Hygieneregeln. Dazu gehörten auch Plastiktütchen, die beim Reden über die Mikrofone gestülpt werden sollten. »Nicht das Tütchen vergessen«, wurde zur ständigen Ermahnung des Vorstehers Lars Oeverdieck.

BVV auf Abstand.    Foto: mr

»Es war richtig, dass wir schnell reagiert und das soziale Leben heruntergefahren haben, Italien sollte uns mahnen, nicht leichtfertig zu werden«, sagte Martin Hikel in seinem »Wort des Bürgermeisters«. Oberstes Gebot sei die Eindämmung des Virus, die Lockerung müsse daher vorsichtig vonstatten gehen, mahnte er.
In der auf drei Stunden verkürzten Sitzung, die sich vorwiegend mit Fragen zur Pandemie befassen sollte, schaffte die BVV dann ganze drei Tagesordnungspunkte – zwei Personalien und eine große Anfrage. Bevor die Sitzung überhaupt losgehen konnte, gab es bereits die erste Unterbrechung, weil Danny Damerau, Fraktionsvorsitzender der AfD, die Einberufung des Ältestenrats forderte. Er und ein Fraktionskollege weigerten sich, die vorgeschriebene Maske zu tragen. Bereits im Vorfeld hatten sie Einspruch dagegen vor dem Verwaltungsgericht eingelegt, waren aber gescheitert. Damerau lenkte erst ein, als die übrigen Bezirksverordneten seinen Rausschmiss forderten. Erst nach mehr als einer Stunde und weiteren von der AfD geforderten Unterbrechungen konnte sich die BVV mit der ersten großen Anfrage beschäftigen, bei der es um die Auswirkungen der Coronakrise auf die Arbeit des Bezirksamtes ging.
Seit Anfang Mai seien rund zwei Drittel der Mitarbeiter des Bezirks­amtes wieder regulär im Dienst, aufgeteilt in Teams, die abwechselnd im Amt oder im Homeoffice arbeiten, teilte Bezirksbürgermeister Martin Hikel mit. Damit werde sichergestellt, dass bei einem Krankheitsfall nicht eine komplette Abteilung unter Quarantäne gestellt werden müsse und die Arbeit komplett zum Erliegen komme. Außerdem seien umfassende Maßnahmen für die Sicherheit der Mitarbeiter ergriffen worden.
Mit der Einführung des »moderaten Dienstbetriebes« sollen in den kommenden Wochen die Rückstände aufgearbeitet werden. Die schriftliche Abwicklung von Dienstleistungen der Bürgerämter wie die Bearbeitung eines Führungszeugnisses solle auch in Zukunft beibehalten werden.
Die Schulschließungen seien dazu genutzt worden, Baumaßnahmen vorzuziehen, die eigentlich für die Osterferien geplant waren. »In diesen Bereichen hatten die Neuköllner und Berliner Unternehmen Kapazitäten, die wir sinnvoll genutzt haben«, sagte Hikel.
»Die Einschränkung der demokratischen Rechte hat nur funktioniert, weil die Menschen die Notwendigkeit eingesehen haben. Wir müssen jetzt eine Form finden, die demokratische Teilhabe wieder hochzufahren, ohne den Schutz der Menschen aus dem Auge zu verlieren«, sagte Thomas Licher (Die Linke) in der anschließenden Diskussion. Bernd Szczepanski (Grüne) warnte dagegen: »Der Wettbewerb der Öffnungsdiskussion ist verfehlt.« Und Steffen Schröter (AfD) konstatierte: »Die Wirtschaft wurde heruntergefahren, einfach so aus Gaudi. Es gibt keine Krise.«
Alle Anträge, über die in dieser Sitzung eigentlich diskutiert und abgestimmt werden sollte, wurden zur weiteren Bearbeitung in die Ausschüsse verwiesen. Dazu gehörten mehrere Anträge der Grünen und Linken zur Verbesserung der Radinfrastruktur sowie ein Antrag von Bernd Szczepanski, das Neuköllner Unternehmen »Haupt Pharma Berlin GmbH« (HPB), das zum Ende dieses Jahres geschlossen werden soll, in staatliches Eigentum zu übernehmen. »HPB füllt im Auftrag namhafter Pharmaunternehmen unterschiedlichste Medikamente ab und verfügt über eine breite Palette an Dosier- und Verpackungsmöglichkeiten. Die Stilllegung dieser Kapazitäten wäre angesichts der akuten Versorgungsprobleme unverantwortlich«, lautet die Begründung.

mr