Neuköllner Gewerbetreibende melden sich zu Wort

Kommentare zur Coronakrise

Pequod Buchhandlung

Alvaro, Inhaber der Pequod Buchhandlung, sagt zur Situation in Spanien und Deutschland: »Meine Buchhandlung habe ich bereits vor den neuen Maßnahmen geschlossen. Das, was in Spanien läuft, kann in Berlin auch passieren. Es werden spannende Wochen, dort wie hier. In Spanien trifft es die ländlichen Regionen und Kleinstädte nicht so hart. Meine Eltern leben in Almansa, einer Stadt nicht viel größer als der Schillerkiez. Ihnen geht es gut, auch wenn eine Ausgangssperre nervig werden kann. In Madrid wird es dramatisch. Dort ist das Epizentrum von Corona. Meinen Freunden geht es gut, sie richten sich mit der Ausgangssperre ein, hoffentlich bleiben sie gesund. Ich begrüße die Maßnahmen, die in Deutschland für Social Distancing vorgeschrieben sind.«

Frank – Froschkönig

»Wir versuchen durchzuhalten und kreativ mit der Situation umzugehen.« Das machen sie. Aktuell werden Gutscheine angeboten, die in der Nachcoronazeit abgetrunken werden können.

Lenau-Stuben

Helmut, Betreiber der Lenau-Stuben in der Hobrechtstraße: »Wir haben seit einer Woche geschlossen, die Lage ist allgemein sehr unübersichtlich. Die erhoffte Unterstützung seitens der Behörden bleibt bisher aus, man wird abwarten müssen, wie sich das genau entwickelt. Ich habe die Befürchtung, dass die Hilfspakete am Ende des Tages nicht bis zu den ganz kleinen Unternehmen durchkommen.
Positiv betonen möchte ich vor allem die Solidarität, die der Lenau-Stuben von Gästen, Nachbarn und teilweise auch unbekannten Personen zuteil geworden ist. Das ist wirklich großartig! Natürlich trifft uns die Situation hart, so wie alle Gastronomen und Selbstständigen. Gerade für Kneipen ohne Außenbereich gehören März und April zu den umsatzstärksten Monaten. Bis Mitte des Jahres können wir so wahrscheinlich durchhalten, aber dann muss es weitergehen. Insgesamt erhoffe ich mir nach der Krise eine Rückbesinnung auf die essentiellen Dinge im Leben und eine Abkehr vom gesellschaftlichen Größenwahn immer und immer noch mehr zu wollen.«

Otto von der Bergklause beruft den »Kriegsrat« ein

»Was mich am meisten ärgert ist, dass es von heute auf morgen gekommen ist, ohne Vorankündigung. Es ist unglaublich, wir hatten keine Zeit uns vorzubereiten. Wie lange wird das gehen? Sechs Wochen oder mehr? Wir haben keine wirkliche Information. Das ist harte Kante. Meine beiden festangestellten Frauen behalte ich. Ich werde mich mit benachbarten Wirten zum Kriegsrat treffen.«

BIERBAUM 3.    Foto: mr

Bierbaum 3

»Wir bewachen den Bierbaum 3 rund um die Uhr«. Abdul hat Kurzarbeit für alle seine Mitarbeiter beantragt.

Engelbert – Mahlower Eck

»Zwei, drei Monate halte ich durch, dann ist mein Erspartes weg. Leider musste ich meine tolle Angestellte entlassen.«

Helmut –Sandmann

»Wir werden sehen, sammeln gerade Ideen.«

Kiez und Kneipe sagt Danke

Auch die Kiez und Kneipe leidet an den Folgen der Maßnahmen des Senats. Einen Großteil der Anzeigen, von denen die Zeitung lebt, erhalten wir von Kneipen. Trotz immenser Umsatz­einbußen haben sich dennoch viele unserer Kunden entschieden, weiterhin bei uns eine Anzeige zu schalten. Dafür möchten wir uns bedanken. Wir können im April erscheinen und hoffen, dass wir auch weiterhin als Printmedium unseren Lesern Informationen und Vergnügen bereiten können. Wir sind beeindruckt von der Solidarität unter den Neuköllnern.

Bienenkorb

»Leider wird das Lokal nicht wieder öffnen.«

Linus

Das Linus hält seinen Mitarbeiter. »Wir bedanken uns für die zahlreichen Spenden«.

Die Rollbergbrauerei

Jedem Biertrinker steigen die Tränen in die Augen, wenn er lesen muss, dass sein geliebtes Rollbergbier hektoliterweise verdirbt. Die Rollbergbrauerei beliefert ausschließlich die Gastronomie mit Bierfässern. Weil die Gaststätten geschlossen sind, ging ihre Geschäftsgrundlage verloren.

Die Buchkönigin

Die Neuköllner Kiezbuchhandlung »Die Buchkönigin« hat für den Verkauf eine kreative Lösung gefunden. Der Laden ist stundenweise geöffnet, allerdings nur für einen »Ab-Tür-Verkauf«, das gemütliche Stöbern muss erst mal unterbleiben. Bestellte Bücher können weiterhin abgeholt oder Bücher aus dem Bestand gekauft werden. Bestellungen werden wie gewohnt per Mail oder telefonisch aufgenommen. Damit die Kunden draußen bleiben, versperrt ein Tischchen den Eingang und wahrt damit auch die Distanz zwischen Buchhändlerin und Kunde. »Besser als wenn sich die Kunden im Laden drängeln und sich möglicherweise gegenseitig anstecken«, sagt eine Mitarbeiterin.
Die aktuellen Öffnungszeiten sind auf www.facebook.com/buchkoenigin zu finden.

Verena – Inhaberin der »Salonlöwin«

Am Anfang fühlte sich alles nach Kommando Untergang an. Das Schiff wird sinken und wir werden alle ertrinken. Ich habe die letzten Nächte nicht sonderlich gut geschlafen, weil ich große Existenzängste hatte und nicht wusste wie alles weitergehen soll, da ich keinerlei finanzielle Rücklagen besitze.
Außerdem musste ich die letzte Woche viele bürokratische Dinge regeln, was unter den gegebenen Umständen, gar nicht so einfach war. Plötzlich war die Post im Karstadt zu, die Internet Cafés geschlossen, bestimmte Produkte des alltäglichen Lebens ausverkauft.
Mittlerweile existiert jedoch ein kleiner Hoffnungsschimmer, und ich sehe diesen Ausnahmezustand als Chance. Das Virus gibt uns die Möglichkeit anzuhalten und unser Hamsterrad zu verlassen. Plötzlich ist Raum und Zeit für Sinnfragen. Man kann sich ihnen stellen und hat die Möglichkeit neu anzufangen. Solche Krisen halten einem vor Augen, was wirklich im Leben zählt und was vielleicht auch nicht. Plötzlich werden die Meere wieder sauber – die Natur erholt sich, und alles erscheint wieder möglich. Allerdings nur, wenn wir anders weitermachen als bisher – das ist auch ganz klar.
Ich weiß, das ich meinen Laden früher, oder später aufgeben werde. Aber ich weiß auch, das ich sehr großes Glück habe, in Deutschland zu leben. Wenn ich an die Geflüchteten in Griechenland denke, bricht es mir das Herz. Sie haben keinerlei Möglichkeit, einen Zuschuss zu beantragen, sie haben noch nicht einmal den ganzen Tag fließend Wasser, geschweige Seife, um sich ansatzweise vor diesem Virus zu schützen. Stattdessen bekommen sie die Krätze, Durchfall und mit viel Pech auch noch dieses Virus. Ich denke an die 1.000 Kinder die alleine geflüchtet sind, ich denke an deren Familien und deren Sorgen. Ich hoffe, Deutschland und andere Länder nehmen sie und auch weitere Flüchtlinge auf.