Petras Tagebuch

Wohlfühlgarage

Meine Kindheit verbrachte ich in einer kleineren Stadt in einer eher langweiligen Einfamilienhaussiedlung. Hinter jedem Haus befand sich so viel Land, dass die Bewohner Landwirtschaft betreiben konnten. Vor jedem Haus war ein kleiner Streifen Land, der dafür vorgesehen war, Blumen anzupflanzen. Eine kleine Rasenfläche, die wöchentlich gemäht wurde, lockerte das Bild auf.
Einmal im Jahr lief eine Delegation durch die Siedlung und begutachtete die Vorgärten. Diese Bewertung wurde sehr ernst genommen, und es gab unter den Nachbarn einen erbitterten Wettbewerb. Auch innerhalb der Familien gab es unterschiedliche Meinungen, die zu Konflikten führten. So auch bei uns. Das Ergebnis war, dass mein Vater, der unbedingt seine Vorgartengestaltung durchsetzen wollte, meiner Mutter anbot, die anstrengende Gartenarbeit nicht mehr erledigen zu müssen, er würde es gerne tun.Dieser kleine Konflikt hatte Folgen. Mein Vater genoss die Gartenarbeit, und bald war die nächste Idee geboren. Er wollte eine Garage. Wir hatten zwar kein Auto, aber er meinte: »Unsere Tochter wird ein Auto haben, und dafür brauchen wir eine Garage.«
Also begann das Bauprojekt. Damit aber nicht genug: Es kamen noch eine Küche und eine Werkstatt dazu. Durchsetzen konnte mein Vater seinen Wunsch, weil er meiner Mutter eine neue Wohnzimmergarnitur und eine neue Küche versprach. Die alten Möbel – eine Wohnzimmergarnitur, ein schöner großer Holztisch, die alten Küchenmöbel und die Kochmaschine wanderten in die neu gebaute Küche. Das Ergebnis war eine Wohnküche mit ausgeleiertem Sofa.
Das gefiel mir. Meinem Vater auch. Die zusammengestückelte Küche wurde schnell zu einem Treffpunkt. Nach der Gartenarbeit zog sich mein Vater häufig in den Bereich zurück, traf sich dort mit Nachbarn und Freunden.
Für meinen Vater und mich entwickelte sich der Ort zu einem vertrauten Rückzugsort. Hier wurden die Ereignisse des Tages ausgewertet, Geschichten erzählt und Zukunftspläne entworfen. Das Schönste an der Küche aber war, dass wir uns entspannt anschweigen konnten ohne Fernseher, Plattenspieler und Radio.
Was im großen Haus nicht möglich war, denn dort herrschte permanente Anspannung, hier an diesem Ort fühlten wir uns wohl.