Als Neukölln Geschichte schrieb

Maueröffnung mit zweistündigem Vorsprung auf die Bornholmer Straße

Nach über 28 Jahren ihrer Existenz öffnete sich in der Nacht des 9. November 1989 die Berliner Mauer. An jenem Tag kündigte der DDR-Funktionär Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz eine neue Reiseregelung für DDR-Bürger an. Auf die Frage eines Journalisten, ab wann sie denn gelten würde, antwortete Schabowski: »Ab sofort, unverzüglich.«


Da diese Pressekonferenz live im Fernsehen übertragen wurde, strömten unmittelbar nach dieser Aussage überall DDR Bürger zur innerdeutschen Grenze. Der Berliner Übergang Bornholmer Straße wurde noch am selben Tag um 23:30 geöffnet. Das und Bilder von jubelnden Ostberlinern, die in den Westteil drängten, wurde sofort verbreitet.Dieser Darstellung widersprach 2009 die ZDF-Dokumentation »Der schönste Irrtum der Geschichte – wie die Berliner Mauer wirklich fiel«. Sie präsentierte Zeugen, die angaben, dass der Grenzübergang an der Waltersdorfer Chaussee in Neukölln bereits zwei Stunden früher geöffnet worden sei. Andreas Groß, einer der Zeugen, habe damals, als er mit seinem Schwager ohne Kontrolle unmittelbar auf West-Berliner Gebiet stand, auf seine Uhr geschaut, und die zeigte 20:30 Uhr.
Das bestätigte auch ein DDR-Bürger, der als Heimkehrer zur gleichen Zeit einfach ohne Kontrolle von den Grenzern durchgewunken wurde. Auf seine Bitte hin, ihm wenigstens eine Zählkarte für die nächst Ausreise auszuhändigen, bekam er die Auskunft, dass er die in Zukunft nicht mehr brauche.
Diese Zeit nannte auch der damals für diesen Übergang zuständige Grenztruppen-Oberstleutnant Heinz Schäfer. Er gab an, dass er direkt nach Schabowskis Pressekonferenz zu »seinem« Übergang gefahren sei. Dort habe er erst die scharfe Munition einsammeln und danach die Sicherungsanlagen abschalten lassen. Seinen Grenzsoldaten befahl er, Ausreisewillige nun ohne Kontrolle durchzulassen.
Damit wäre Neukölln der erste Westberliner Bezirk, der am 9. November einen offenen Übergang zur DDR gehabt hätte. Einige Historiker bezweifeln das. Sie bemängeln einmal die Wissenschaftlichkeit der Herangehensweise des ZDF und verweisen ferner auf die der Darstellung widersprechenden Stasiunterlagen.

rr