Gewerbemieten sind frei

Real Estate auf Abzocke beim »Schiller‘s«

Er heißt Waldemar und lässt sich nicht unterkriegen. Foto: fh

Das »Schiller‘s« in der Schillerpromenade ist eine Institution für alle Generationen, Alt- und Neu-Neuköllner und soziale Schichten. Beim Billard trifft arm auf reich und jung auf alt. Hunde sind erwünscht. Die Getränkepreise sind zivil, es gibt keinen Schnickschnack, dafür aber jede Menge gute Gespräche. Waldemar Schwienbacher hat dem Lokal seinen Charakter gegeben. Im Laufe der Jahre investierte er, damit ein gemütlicher Ort für alle geschaffen wurde.
Jetzt, wo die Gaststätte rund läuft, wo sich alles zurechtgeruckelt hat, kam der Hammer per Post. Es ist die Kündigung des Vermieters »Home Real Estate GmbH« zum 31.8.2019. Schwienbacher brauchte mehrere Tage, um den Satz auszusprechen, den er nun flüssig wiederholen kann, aber mit Tränen in den Augen: »Am 15. August schließt das »Schiller‘s«.«
Rechtlich ist alles in Ordnung, die Immobiliengesellschaft »Home Real Estate GmbH« darf kündigen, denn es sind Gewerberäume, und der Mietvertrag hätte im August verlängert werden können.
Das Recht des Vermieters ist die eine Sache. Die andere ist der Verlust, den der Schillerkiez zu beklagen hätte. Der Ort für jedermann zum Wohlfühlen könnte bald Geschichte sein.
Selbst wenn Schwienbacher das »Schiller‘s« weiter betreiben könnte, fürchtet er sich vor erhöhter Miete. Im Kiez werden Gewerbemieten in Höhe von 20 Euro pro Quadratmeter und mehr verlangt. Das ist zuviel für eine Kneipe, die günstige Preise aufruft.
Mit und ohne Fantasie ist bekannt, was dann passieren wird. Die Räume können leer stehen, denn die »Home Real Estate GmbH« hat einen langen Atem. Oder ein neues Schickimicki-Lokal mit Haubenkoch entsteht. Das ist dann jedoch nichts für die meisten Anwohner, deren Taschen nicht gerade prall mit Geld gefüllt sind.
Schwienbacher indes macht sich Mut: »Ich habe schon so oft aus dem Nichts wieder angefangen, ich werde es wieder machen.« Mit seinen 72 Jahren hat er bereits seine Fühler nach einem neuen Standort ausgestreckt. Auf jeden Fall würde er sich über Neuköllner Solidarität freuen.ro