Anschlagsserie in Neukölln

Betroffene fordern parlamentarischen Untersuchungsausschuss

Seit 2016 wird Neukölln von einer Serie mutmaßlich rechtsextremistischer Anschläge heimgesucht. Autos wurden angezündet, Scheiben von Geschäften eingeschlagen, Morddrohungen auf Häuserwände geschmiert. Gerichtet sind sie gegen Menschen, die sich für Demokratie engagieren. Die Täter wurden bisher nicht gefasst, der Großteil der Ermittlungen wurde eingestellt.

Betroffene im Gespräch. v. l.: Mirjan Blumenthal,Martin Hikel, Anne Helm, Jo Goll.            Foto: mr

Nun sammeln die Betroffenen Unterschriften für eine Petition, mit der sie erreichen wollen, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus eingerichtet wird, der mit seinen besonderen Rechten zur Akteneinsicht und zur Zeugenvernehmung Aufklärung schaffen soll.
In einem Podiumsgespräch am 23. Mai im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt berichteten einige der Betroffenen von Versäumnissen, mangelnder Empathie und Fehler der Ermittlungsbehörden. Spuren seien nicht verfolgt worden, sagte Heinz Ostermann, dem bereits zweimal das Auto angezündet wurde. Obwohl sich die Taten ähneln, wollen die Behörden sie nicht als einen Komplex betrachten, beklagte er.Ferat Kocak von der Linkspartei berichtete, dass die Behörden den Anschlag auf sein Auto hätten verhindern können. Sie wussten, dass ein ehemaliger Neuköllner NPD-Funktionär und ein früheres AfD-Mitglied ihn verfolgten und seinen Wohnsitz ausspionierten, weil sie deren Handygespräche abgehört hatten. »Sie wussten, wo ich wohne, der Verfassungsschutz und das LKA wussten, dass sie es wissen, und ich wurde nicht gewarnt. Das verunsichert mich«, betonte er.
Recherchiert hat das Jo Goll, Reporter beim »rbb«, der in einem Beitrag für das Magazin »Kontraste« über die Verstrickungen von Beamten des Landeskriminalamts (LKA) mit der rechten Szene berichtete.
Er war am Folgetag gemeinsam mit Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Mirjam Blumenthal, SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung, zu Gast im Abgeordnetenbüro von Anne Helm und Niklas Schrader (Linke).
Seinem Bericht zufolge soll sich ein LKA-Beamter mit einem der beiden Verdächtigen und weiteren Neonazis in einer Rudower Kneipe getroffen haben. Dabei wurde er selbst beobachtet, von Kollegen, die eigentlich seinen Gesprächspartner observierten. Dass sich ein Beamter der Polizei zum scheinbar privaten Plausch mit Neonazis in der Kneipe trifft, wirft Fragen auf. Die Polizei habe eine Verwechslung behauptet, aber »das hieße, die Verfassungsschützer sind Deppen«, folgerte er.
Diese Anschläge sollen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, einschüchtern und in ihrem Leben einschränken, das sei Terror, sagte Hikel. Er nannte es niederschmetternd, dass der Generalbundesanwalt keine Ermittlungen aufnehmen will. Er forderte dazu auf, dass derartige Taten von der Öffentlichkeit »rigoros verurteilt werden«.
Es gehe bei dem geforderten Untersuchungsausschuss nicht um eine Pauschalverurteilung der Ermittlungsbehörden. Auch viele Polizisten, die ihre Arbeit gut machen, verlangen nach Aufklärung, versicherte Mirjam Blumenthal.

mr