Raus aus der Schule, rein in die Demo

Auf der Straße lernen.                                                                                                                                         Foto: mr

Immer freitags gehen Schüler bei den »Fridays for Future«-Demonstrationen auf die Straße, um die Politik zum verstärkten Handeln gegen den Klimawandel aufzufordern. Sie schwänzen dafür den Unterricht. In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 27. Februar gab es eine lebhafte Debatte darüber, ob diese Demonstrationen als »gelebte politische Bildung und wichtiger Bestandteil einer lebendigen Demokratie« zu gelten haben, wie es in einer von SPD, Grünen und Linken eingebrachten Entschließung heißt, oder ob es sich dabei um Schulschwänzen handelt, das sanktioniert gehört.
»Die Jugendlichen haben die Sonntagsreden satt, normale Proteste wurden nicht zur Kenntnis genommen. Wer behauptet,Tempolimit auf Autobahnen verstoße gegen den gesunden Menschenverstand, hat so eine Ohrfeige verdient«, sagte Bernd Szczepanski (Grüne).Wenn Kinder Plakate malen, sich mit dem Thema auseinandersetzen, ihre Vorstellungen artikulieren, trage das mehr zur politischen Bildung bei als theoretischer Unterricht in der Schule, meinte Mirjam Blumenthal, Fraktionsvorsitzende der SPD.
Die CDU fände zwar eine einmalige Demonstration gut, wie Fraktionsvorsitzender Gerrit Kringel sagte, aber regelmäßig ginge das natürlich nicht, schließlich gebe es die Schulpflicht. Ähnlich argumentierte auch die FDP. Bei den Demonstrationen stehe möglicherweise das Schwänzen im Vordergrund, vermutete Franz Wittke und forderte, die Schüler mögen die Demonstrationen doch bitte in die unterrichtsfreie Zeit verlegen.
Roland Babilon (fraktionslos, AfD) erklärte, gesellschaftspolitische Konflikte gehörten nicht in die Schule. »Wir brauchen keine Streiks, sondern mehr Disziplin.«
Für die AfD ist die ganze Diskussion ohnehin »reine Propaganda«, wie es Andreas Lüdecke ausdrückte. Debatten über Klimawandel im Unterricht seien eine »Instrumentalisierung der Schülerschaft«, Klimaveränderung gebe es, seit es die Erde gebe, daran sei nichts menschengemachtes.
Nach fast einer Stunde der Diskussion wurde die Entschließung mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der Linken angenommen. Damit verbunden ist das Versprechen der Bezirksverordneten, sich dafür einzusetzen, »wirksamen Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften in Neukölln voranzubringen.«
Wer die Jugendlichen bei den Demonstrationen selber fragt, hört, wie sehr sie sich von der Politik missachtet fühlen. Erst seit sie streiken, werden sie gehört. Sie tun das nicht, weil sie keine Lust auf Schule haben, sondern weil sie in Sorge um ihre Zukunft sind. Dafür nehmen sie dann auch bewusst mögliche Sanktionen in Kauf. »Das ist eine Sache für Profis«, hatte Christian Lindner (FDP) gesagt. Inzwischen stellen sich 23.000 Wissenschaftler hinter die streikenden Jugendlichen und bezeugen: Die Schüler haben recht und Klimaschutz ist dringend notwendig.

mr