Die Schonzeit ist vorbei

Steht zu uns, helft uns, greift ein!

Juna Grossmann ist in Berlin geboren, hängt einer liberalen Form des Judentums an und hat das freie Leben in der Hauptstadt immer geliebt. Auch ihre Eltern und Großeltern sind hier geboren. Deutschland ist ihr Zuhause. Trotzdem wird sie häufiger gefragt: »Wann gehen Sie wieder nach Hause?«

Juna Rossmann stellt ihr Buch vor.                                                                                                               Foto: mr

Diese und viele andere Formen des wiederaufkommenden Antisemitismus beschreibt Grossmann, die seit 2008 den Blog »irgendwie juedisch« betreibt, in ihrem Buch »Schonzeit vorbei«, das sie am 18. Februar auf Einladung der Anwohnerinitiative »Hufeisern gegen Rechts« im »Hufeisencafé« in der Fritz-Reuter-Allee vorstellte.
»Alltäglicher Antisemitismus ist auch in Britz ein Thema«, sagte Veranstalter Jürgen Schulte. In der Nacht zum 11. Februar wurde die von der Initiative gestaltete Info-Säule in der Hufeisensiedlung beschädigt, das Plakat, das zu der Veranstaltung einlud, wurde vollständig zerstört und dabei auch die Oberfläche der Säule beschädigt.
Juna Grossmann schildert in ihrem sehr persönlichen Buch anekdotisch verschiedene Begebenheiten, verbale Schmähungen, Bedrohungen und Vorverurteilungen, denen sie täglich begegnet, und schnell wird klar, Antisemitismus ist längst kein Randphänomen mehr.
Als Mitarbeiterin im jüdischen Museum erlebte sie beispielsweise, dass Besucher einfachste Garderobenregelungen, denen man in jedem Museum folgen muss, mit den Worten ablehnen: »Jetzt wollt ihr euch wegen des Holocausts an uns rächen.« Seit den Ausfällen bei Demonstrationen im Jahr 2014, bei denen Menschen danach riefen, Juden zu vergasen, gehören Hasskommentare auch in ihrem Blog zum Alltag.
»Steht zu uns, helft uns, greift ein!«, appelliert sie an die Mitbürger, sich nicht mit alltäglicher Judenfeindlichkeit abzufinden. Sie fordert, die Probleme nicht weiter zu ignorieren, etwas dagegen zu tun, aktiv zu werden.
Deswegen engagiert sie sich auch in der Initiative »Rent a Jew«, die ehrenamtliche jüdische Referenten an Bildungseinrichtungen vermittelt. Die Referenten, die einen Querschnitt der jüdischen Bevölkerung in Deutschland darstellen, von säkular über liberal bis orthodox, wollen Einblick in das jüdische Leben in Deutschland geben und die Möglichkeit eröffnen, Fragen auf allen Seiten zu beantworten und Vorurteile abzubauen.

mr
Schonzeit vorbei
Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus
von Juna Grossmann
Droemer,
160 Seiten, 14,99 €