Feuerteufel gegen das Ordnungsamt

Verkohlte Ordnungsamtsfahrzeuge.                                                                                                             Foto: pr

Reaktion, Prävention, Repression: Das sind die Säulen der Anti-Vermüllungs-Strategie des Bezirksamts Neukölln. Die Kampagne «Schön wie wir» ist ein Erbe der ehemaligen Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey und beispielhaft für ihren «Law and order» Ansatz. Die Wortwahl: «Müllsünder sollen auf frischer Tat ertappt werden«, »an Müll-Hotspots werden Schwerpunktkontrollen durchgeführt» und «Müll-Sheriffs sind auch nachts auf Streife« erinnert schon sehr an die Verfolgung von Schwerverbrechern.
Genau diese Institution, die für Recht und Ordnung im so oft beschworenen «Problembezirk» Neukölln sorgen soll, wurde jetzt angegriffen. Alle neun Dienstfahrzeuge brannten in der Nacht zum 21. Januar auf dem Gelände des Ordnungsamts in der Nähe der Grenzallee ab, der Schaden beläuft sich auf schätzungsweise 250.000 Euro.
Über die Hintergründe der Tat wird aktuell nur spekuliert. Wegen einer Razzia in Wettbüros und Bars am vorherigen Freitag wurde schnell die Vermutung angestellt, dass es sich um eine Racheaktion handeln könnte. Aber weder Polizei noch Bezirk ließen bisher etwas in dieser Richtung verlauten. Das Narrativ der Clan-Kriminalität ist ein von überregionalen Medien gern bedientes Neukölln-Klischee. Im rbb-Fernsehen sagte Bürgermeister Martin Hikel (SPD) jedoch, dass das Täterprofil nicht wirklich zu dieser Annahme passe, woraufhin die Moderatorin meinte, bei Brandanschlägen würde man ja eher an »autonome Täter« denken. Unklar bleibt, was das nun wieder heißen sollte.
Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, aber wodurch sie sich in ihrer undeutlichen Aussage wahrscheinlich bestätigt fühlen würde, ist eine auf »Indymedia« veröffentlichte Solidaritätserklärung einer selbst so bezeichneten »Autonome Gruppen – Zelle Soledad Casilda Hernáez Vargas«, die Feuer als gerechtfertigte Antwort auf die unmenschliche Räumung eines Obdachlosenschlafplatzes durch das Ordnungsamt Mitte bezeichnet. Eine Verkürzung, da bekannt ist, dass in Mitte härter gegen Obdachlose vorgegangen wird als in anderen Bezirken.
Von verschiedenen Seiten wurde der Angriff scharf verurteilt, und Martin Hikel erklärte, man lasse sich nicht einschüchtern. Das Ordnungsamt hatte bereits nach drei Tagen wieder vier Fahrzeuge im Dienst, zwei davon geliehen aus Tempelhof-Schöneberg. Wenige Tage später war wieder die volle Anzahl an Autos im Einsatz. Hikel kündigte mehr Streifen an, und das Ordnungsamtsgelände solle künftig videoüberwacht werden. Der Anschlag war vielleicht ein Protest gegen Kontrollen und verstärkte Sicherheitsmaßnahmen. Im Ergebnis dient er jedoch all jenen als weitere Argumentationsgrundlage, die Forderungen nach noch mehr Kontrolle und Überwachung im Namen von Ordnung und Sicherheit stellen: Reaktion, Prävention, Repression, nicht nur für «Müllsünder».

jt