Petras Tagebuch

Verkehr könnte so schön sein

Vielleicht liegt es daran, dass es so viele Fahrradfahrer in der Stadt gibt. Wahrscheinlich werden sie von den anderen mehr wahrgenommen und auch als vollwertiger Verkehrs­teilnehmer betrachtet. Es kann aber auch sein, dass ich mit meinem alten Drahtesel in einer Zeit der Rennräder und E-Bikes ein unglaublich mitleiderweckendes Bild abgebe. Vielleicht spielt aber auch die Verkehrs­politik des Senats eine Rolle, die etwas für die Fahrradfahrer tun will, auch wenn sie bisher eher unzureichend umgestzt wurde.

Nantes.                                                                                                                                                                        Foto: fh

Auf jeden Fall passiert es mir immer häufiger, dass ich bei der Rechts-vor-links-Regel von Autofahrern die Vorfahrt gewährt bekomme. Auch wenn ich kein Recht darauf habe. Sie winken mir freund­lich zu, und ich bedanke mich.
In diesem Zusammenhang fiel mir das Verkehrskonzept in Nantes in Frankreich ein. Dort war ich vor Kurzem im Urlaub. Die Anzahl der Einwohner ist etwa so hoch wie die Neuköllns. Zugegebenermaßen stehen den Nantern mehr Quadratkilometer zur Verfügung als den Neuköllnern.
Neben einem gut ausgebauten Fahrradverkehrswegenetz ist die Innenstadt in zwei Fußgängerzonen aufgeteilt. Zwischen den Zonen gibt es einspurige Autostraßen, die nur von Anwohnern und Taxis befahren werden dürfen. In der Mitte der Straße befindet sich ein Radweg, der als Schnellstrecke ausgebaut und 20 Zentimeter höher gelegt ist, damit Autofahrer gar nicht erst auf den Gedanken kommen, dort zu parken.
Eine Straßenbahn, die gefühlt im Dauertakt fährt, bringt die Men­schen in die Innenstadt.
Die beiden Fußgängerbereiche sind für Lieferverkehr und Privatpersonen nur durch das Herabsenken von Pollern zu durchfahren. Damit wird erreicht, dass nur wirklich Berechtigte in die Fußgängerzo­nen gelangen.
Erlaubt jedoch ist in den Zonen alles was zwei Räder hat: Motorräder, Fahrräder, Mopeds, Segways, Skateboards, Mofas, Roller mit Motor und ohne. Noch nie habe ich so viele Zweiräder gesehen wie dort.
Was mich jedoch noch mehr wun­derte, war die Eintracht zwi­schen Radfahrern und Fußgängern. Es gab keine Aggression, weder die einen noch die anderen Verkehrsteilnehmer wurden übergriffig. Und das bei einem quirligen Einkaufsleben. Bei lebendigem Einzelhandel und Gastronomie ist hier selbst am Abend Betrieb.
Ich habe Neukölln in Gedanken in Fußgängerzonen eingeteilt. Jeder Kiez sollte dazu gemacht werden, getrennt durch die großen Straßen. Gehen würde es.