Mit wehenden Fahnen in den Untergang

Viktor Ullmanns »Die Weise von Liebe und Tod«

Hrund Ósk Árnadóttir und Dennis Herrmann.                                                            Foto: Matthias Heyde

Rainer Maria Rilkes Jugenddichtung »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke« mag heute fast vergessen sein, doch war sie zu Zeiten der Weltkriege eine der beliebtesten Lektüren bei deutschen Soldaten an der Front. Sie thematisiert das Schicksal eines Vorfahren Rilkes, Cornet Christoph Rilke, welcher im 17. Jahrhundert während der Türkenkriege den Heldentod stirbt, als er unbewaffnet, doch mit erhobenem Banner durch 16 Säbelhiebe niedergestreckt wird. Der Mythos des Heldentods, die Verherrlichung des Krieges, aber auch die Sinnlosigkeit, junge Leben im Krieg zu verschwenden, haben das Werk zum Klassiker gemacht.
Die Neuköllner Oper zeigt die Vertonung durch Viktor Ullmann, der im Jahre 1944 in Auschwitz umgebracht wurde. Warum sich Ull­mann kurz vor seinem Tod durch die Nazis gerade mit dem Werk eines bekennenden Faschisten auseinandersetzte und es vertonte, bleibt wohl ein Rätsel. Auch die Inszenierung an der Neuköllner Oper liefert hierzu keine Antwort, was aber Absicht zu sein scheint.
Inmitten eines schlichten Bühnenbilds sitzt der Pianist Markus Syperek, spielt die Musik nach Ullmann und addiert diese mit den Kompositionen Malte Giesens, wofür er über seinem Klavier ein Synthesizer Keyboard aufgebaut hat. Die elektronischen Klänge schreiben Ullmanns Komposition fast nahtlos fort, bauen eine Brücke in die Gegenwart und transportieren die Ideen des Stücks, von Märtyrertum und Stolz in unsere aktuelle Zeit.
Wo zum einen der Schauspieler Dennis Herrmann und die Sängerin Hrund Ósk Árnadóttir das Stück zum Leben erwecken, mahnen zum anderen Videoprojektionen von Auschwitz und Theresienstadt zum Nachdenken. Die Zuschauer erleben die letzten Stunden des Cornets, unterbrochen von Bildern altbekannter Orte des Schreckens. Die romantische Fiktion zersplittert geradezu an diesen Bildern der Realität, die wir heute als Überreste eines pervertierten Nationalismus kennen.
Nach der Aufführung wird das Publikum mit mehr Fragen denn je zurückgelassen, was wohl die Intention des Stücks ist. Von zwei Dingen gibt es im Anschluss viel: Applaus und danach Stille.

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Das Stück gibt es noch bis zum 19.10.2018 in der Neuköllner Oper zu sehen. Mehr Informationen und Tickets gibt es auf der Website: www.neukoellneroper.de.