Breite Solidarität mit Anschlagsopfern

Demo vor dem Rathaus.                                                                                                                                     Foto:mr

Demonstranten fordern Ermittlungsergebnisse

Die Anschlagserie im Süden Neuköllns geht weiter. In der Nacht zum 2. Februar wurden die Autos von Heinz-Jürgen Ostermann, Inhaber der Buchhandlung Leporello, und Ferat Ali Kocak, Mitglied im Bezirksvorstand der Neuköllner Linken, in Brand gesteckt.
Ostermann, Mitbegründer der Initiative »Neuköllner Buchhändler gegen Rechtspopulismus und Rassismus«, wurde damit bereits zum dritten Mal Opfer eines von mutmaßlich rechten Gewalttätern verübten Anschlags. Einschüchtern lassen will sich der Buchhändler trotzdem nicht.
Auch Ferat Kocak sagte am 3. Februar auf einer Solidaritätskundgebung mit mehreren Hundert Teilnehmern vor dem Rathaus Neukölln an die Adresse der Täter: »Du hoffst, einen Aktivisten einzuschüchtern. Aber du hast Tausende Aktivisten gegen Rechts erst aufgeweckt.«
»Es ist gut zu sehen, dass der Platz voll ist«, sagte Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey in ihrer Ansprache. Es zeige, »dass diejenigen, die für eine freie und demokratische Gesellschaft eintreten, sich nicht durch solche Anschläge einschüchtern lassen«. Gleichzeitig äußerte sie deutliche Kritik an den Ermittlungsbehörden. Es sei nicht zu verstehen, dass es keine Ermittlungsergebnisse gebe, sagte sie unter großem Beifall der Kundgebungsteilnehmer. Der Hinweis von Justizsenator Dirk Behrend, dass die Sondereinsatzgruppe »EG RESIN« (Einsatzgruppe Rechte Straftaten in Neukölln) geduldig ermittle, um gerichtsfeste Beweise zu Tage zu fördern, stieß auf weit weniger Zuspruch.
Diesem Missfallen verlieh auch Moritz Wittler, Sprecher der Partei DIE LINKE, Ausdruck. »Die Sicherheitsbehörden müssen den bekannten Teil der Naziszene unter Druck setzen, ihnen keine Ruhe lassen, bis das endlich aufhört. Der Innensenator muss eingreifen, wir wollen endlich Resultate und Entschlossenheit sehen«, forderte er.
Petra Pau, Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestages, rief mit einem Zitat Erich Kästners aus einer Rede vom Mai 1958 in Hamburg Erinnerungen an die Weimarer Republik wach, als die Demokraten die Bedrohung durch den Faschismus viel zu lange unterschätzt hatten. Kästner sagte damals: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.«
Inzwischen teilte die Polizei mit, dass die Sondereinheit am 2. Februar Durchsuchungsbeschlüsse gegen »zwei Tatverdächtige im Alter von 32 und 35 Jahren, die der rechten Szene in Neukölln zuzuordnen sind« vollstreckt habe. Dabei wurden Laptops, Speicherkarten, eine Kamera, Handys sowie schriftliche Unterlagen beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden. Nach erkennungsdienstlicher Behandlung wurden die beiden extremen Rechten aber erst mal wieder freigelassen.

mr