Wenn Heirat zur Menschenrechtsverletzung wird

Eine Ausstellung zu Zwangsehen

Sie sind kaum dem Alter entwachsen, in dem sie noch mit Puppen spielten. Doch dann müssen sie heiraten. Einen Mann, den sie kaum oder gar nicht kennen, den ihre Eltern für sie ausgesucht haben.
Wie sich die Mädchen dabei fühlen, lässt die Ausstellung »Mit dem Pinsel gegen die geraubte Kindheit« im »Frauenzentrum Affidamento« in der Neuköllner Schmiede am Richardplatz erahnen.

Heirat kann töten.                                                                                                                                                Foto: mr

Die Bilder, die hier ausgestellt sind, wurden von Schülerinnen und Schülern zwischen acht und 16 Jahren aus dem südosttürkischen Van gemalt. Sie entstanden im Rahmen von Malwettbewerben, die »Yaka-Koop«, eine türkische Partnerorganisation von »Terre des Femmes«, seit 2013 jährlich ausrichtet.
Es sind verstörende Bilder, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sie erzählen von Angst vor dem Verlust der Freiheit, ja des Lebens. Ein Bild zeigt ein noch sehr junges Mädchen, eingesperrt in einem Käfig, gefesselt mit einer Kette, die von einer übergroßen Männerhand gehalten wird. Auf einem anderen Gemälde steht ein Mädchen im Brautkleid mit einem Strick um den Hals auf einem Bücherstapel, auf den ein großer schwarzer Männerschuh zielt. Ein Bild zeigt den Lebensweg eines Mädchens. Am Ende steht auch hier der Galgen.
»Uns wird eingetrichtert, nicht mit Fremden zu sprechen, und dann müssen wir einen heiraten«, zitiert Christa Stolle, Geschäftsführerin von »Terre des Femmes« eine Betroffene bei der Eröffnung der Ausstellung.
Zwangsverheiratet werde in weiten Teilen der Welt, nicht etwa nur im islamischen Kulturkreis, betonte die Soziologin und Frauenrechtlerin Necla Kelek in ihrem Einführungsreferat. Maßgeblich dafür sei ein patriarchalisches Umfeld, das Mädchen und Frauen komplett unter die Herrschaft des Mannes stelle. Eine wichtige Rolle spiele in diesem Zusammenhang die Jungfräulichkeit vor der Ehe, die als so hoher Wert angesehen werde, dass die Mädchen möglichst früh verheiratet werden, um diese Jungfräulichkeit zu gewährleisten. Weil aber die Jungen in der Familie dazu angehalten werden, die Mädchen zu überwachen, wird auch ihnen ein selbstbestimmtes Leben verwehrt.
Ein weiterer Grund für Frühverheiratungen sei Armut, sagte Kelek. Die eigene Familie hat eine Person weniger zu versorgen, weil das Mädchen mit der Heirat Teil der Familie des Mannes werde. Dort aber sei sie zuständig für den Haushalt und die Versorgung der Kinder, an eine Schulbildung sei unter diesen Umständen nicht zu denken. Daher könne sie auch keine Bildung an ihre Kinder weitergeben. Ein Teufelskreis, der die Armut verfestigt. wie Kelek anmerkte.
mr
Die Ausstellung kann bis zum 11. Februar während der Öffnungszeiten Mo. – Fr. von 10 bis 16 Uhr besichtigt werden. Am Wochenende auf Anfrage Tel.: 56824901.