Petras Tagebuch

Mensch und Fahrrad in der Bahn

Neulich war ich auf Usedom. Ich nehme immer mein Fahrrad in der Bahn mit, denn Fahrradtouren auf Usedom sind neben ausgedehnten Strandspaziergängen Urlaubsprogramm.
Irgendwann war die schöne Zeit vorbei, und ich machte mich auf den Rückweg. Als ich in Züssow in den Berliner Zug umsteigen wollte, sah ich bereits auf dem Bahnsteig, dass außer mir noch ganz viele andere Menschen ihre Fahrräder tranportieren wollten.
Der Zug hielt, und der Kampf um einen Platz im Fahrradabteil begann. Zunächst verwies ein Radler zwei junge Frauen des Platzes, die das Abteil mit jeder Menge Gepäck blockierten. Sie machten sich dann auf die Suche nach einer anderen Sitzgelegenheit.
Mein Fahrrad hatte ich gut platziert, ein strategisch günstiger Sitzplatz war schnell gefunden. Nun war dieser Zug sehr voll. Ein Ehepaar gesellte sich zu mir und sprach mich an: »Stellen Sie sich das nur vor: Da kommt doch so ein aggressiver Fahrradfahrer und jagt die zwei Frauen weg, nur damit er sein Fahrrad unterbringen kann. Diese Fahrräder sollte man in der Bahn verbieten! Menschen müssen doch Vorrang haben. Die beiden Frauen haben keinen Sitzplatz gefunden. Wie finden Sie das denn?«
Mit dem Argument, dass dies doch ein Fahrradabteil sei, erntete ich heftige Kritik. Mensch ginge doch wohl vor Fahrrad. Ich wurde dann ganz still und ließ die Schimpftiraden über die Fahrradfahrer über mich ergehen und fühlte mich ziemlich unwohl.
Gott sei Dank dauerte es nicht lange bis der Schaffner kam, um die Fahrscheine zu kontrollieren. Ich zeigte ihm mein Ticket und sagte dann: »Ich möchte bitte noch eine Fahrkarte für mein Fahrrad.«
Während der Schaffner seines Amtes waltete, beobachtete ich aus den Augenwinkeln das Ehepaar. Beide verstummten auf der Stelle, starrten mich entsetzt an, schauten sich an und schwiegen.
Der Schaffner ging, und das Paar schwieg weiter. Sie betrachteten mich angeekelt, blieben aber sitzen. Dann holten sie ihren Reiseproviant aus dem Gepäck, den sie grimmig verspeisten. Als er dann die »Bildzeitung» aufmerksam studierte und seine Gattin sich intensiv mit »Bild der Frau« beschäftigte, ging es mir wieder besser. Ich freute mich darüber, dass die Beiden ruhig waren.