Allee der Sonne

Von Hubschraubern und Waschanlagen

Eine Tankstelle, ein Fußballplatz, ein Polizeirevier, eine Bushaltestelle und in Sichtweite, aber in so großer Entfernung, dass das Kindergeschrei nicht mehr hörbar ist, ein kleiner Spielplatz – die Aussicht vom Balkon an der Sonnenallee. Hinzu kommen diese kleinen aber feinen Geschichten.


Unser Neukölln erwacht so ungefähr um 11 Uhr – der Wochentag bleibt dabei unbeachtet, ausgenommen davon sind der Berufsverkehr und die Schulkinder.
Momentan ist die Jahreszeit der Luftzapfsäule – für Fahrräder und Schlauchboote. Familien, in heller Vorfreude auf einen Ausflug, wollen ihr Schlauchboot oder ihre Fahrradschläuche aufblasen und unterschätzen dabei den Druck – was zu einigen explosiven Knallen führt. Zur gleichen Zeit läuft eine alte Dame im neonpinken Outfit vorbei und tut so, als hätte sie nichts gehört. An der Staubsaugersäule türmen sich Objekte aus Autos, von denen man gar nicht dachte, dass diese vielen Sachen überhaupt Platz in Kofferräumen haben könnten, und es kann bis zu zwei Stunden dauern, bis das Innenleben des Autos vollends gereinigt und der Kampf mit den Kekskrümeln der letzten Wochen beendet ist. Die Waschanlage steht niemals still, die meisten Autobesitzer stehen staunend vor den Scheiben der riesigen Spülmaschine – dabei hat doch Neukölln eigentlich ein Sauberkeitsproblem – anscheinend sind die Autos davon ausgenommen. Auf dem kleinen Spielplatz steht die selbstmörderisch schräge Drehscheibe, die wir aus den 90ern kennen und von der regelmäßig Kinder irgendwohin fliegen.
Ab und an, doch in sehr regelmäßigen Abständen, landet ganz unverhofft und ohne erkennbaren Grund ein ADAC-Hubschrauber auf dem Fußballplatz. Es scheint jedoch nie jemand da zu sein, der gerettet werden müsste – der Grund bleibt also verborgen. Doch besonders bei Schnee – ein schönes Schauspiel mit viel Gestöber.
Dann gibt es noch die Menschen, die nach dem Bus rennen, obwohl sie sich noch mindestens 100 Meter von der Bus­haltestelle entfernt befinden, ob aus sportlichem Eifer oder anderen Beweggründen, das konnte ich nicht herausfinden. Das faszinierende ist, dass sie es fast immer noch schaffen – was möglicherweise an der starken Frequentation des M41 liegen muss.
Nachts gibt es manchmal ein surreales Lichtspiel zwischen blauem Aralleuchten, gelbwarmen Straßenlaternenlicht und dem weißen Schein des Mondes.
Das Rauschen des Verkehrs erinnert – wenn man die Augen schließt, ein wenig an die rollenden Wellen der Ostsee – was nur zeitweilig durch vorbeifahrende Sirenen durchkreuzt wird. 

jr