Grob gefährlich

Die Feinstaubbelastung in Neukölln ist gesunken, aber immer noch zu hoch

»Die dreckigste Straße Deutschlands« — so wurde die Silbersteinstraße in den letzten Jahren wenig rühmlich von überregionalen Medien betitelt. Im letzten Jahr wurde dort der Grenzwert für Feinstaub an 14 Tagen überschritten, was unter den zulässigen 35 Tagen liegt und eine Verbesserung zu den Vorjahren darstellt. Auch die Karl-Marx-Straße landet regelmäßig unter den Top Ten der schmutzigsten Straßen Berlins. Dort kam es 2016 zu 18 Grenzwertüberschreitungen. Dass sich die Werte verbessert haben, liege laut der Senatsverwaltung für Umwelt, Klima und Verkehrsschutz auch an günstigen Wetterbedingungen. Es bleibe also weiterhin Handlungsbedarf.
Ein Blick auf die aktuellen Werte zeigt: Am 24. Januar lag der Wert der PM10-Partikel, also Feinstaub, an der Karl-Marx-Straße bei 44µg pro Kubikmeter. Das sind gerade mal sechs µg unter dem von der EU festgelegten Grenzwert von 50µg. Dass die­se Werte überhaupt so leicht einsehbar sind, ist dem »Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln« zu verdanken. Auf ihrer Internetseite »smog­alarm.org« können die Nutzer ganz einfach ihre Postleitzahl eingeben und mit einem Klick die Messwerte der nächsten Messstation einsehen. Das Netzwerk bemüht sich seit langem, auf das Problem der Luftverschmutzung in Neukölln und ganz Deutschland aufmerksam zu machen. Die Organisation warnt: »25.000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland an den Folgen von Feinstaub. Stickstoffdioxide und Feinstaub verursachen Lungenkrebs, Husten und andere Atemwegserkrankungen.«
In Großstädten ist der Verkehr die Hauptursache für Feinstaub. Kleinste Partikel aus Motoren, vor allem Dieselmotoren, aber auch der beim Bremsen entstehende Abrieb und der aufgewirbelte Staub von der Straße gelangen in die Luft und können bis ins Lungengewebe und den Blutkreislauf eindringen. Wenn dann noch besonders ungünstige Umstände wie in der Silbersteinstraße gegeben sind — leicht abschüssig, Ost-West-Ausrichtung, stark befahren — sammeln sich besonders viele dieser Partikel in der Luft. Für Fahrradfahrer und Fußgänger, die diesen Verkehrsweg nutzen, stellt das eine gefährdende Belastung dar.
Der Berliner Senat will diesem Problem mit einem Luftreinhalteplan begegnen und »den positiven Trend fortführen«. Das frisch gebackene Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Georg Kössler (die Grünen) fordert, dass dieser Plan streng eingehalten werde und spricht sich für Maßnahmen aus, wie sie etwa in Stuttgart eingesetzt werden. Das heißt, die Leute aufzufordern, auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Rad umzusteigen. Im Extremfall müssten temporäre Fahrverbote ausgesprochen werden, so Kössler. Das »Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln« plädiert für eine nachhaltige Veränderung des Straßenverkehrs: Tempo 30 Zonen, Parkraumbewirtschaftung und Fahrradwege an den Hauptmagistralen sollen den Autoverkehr und gesundheitsschädliche Abgase mindern und mehr Platz für das umwelt- und gesundheitsfördernde Rad bieten. Immerhin kann durch »smogalarm.org« jeder Einzelne versuchen, stark belastete Straßen zu meiden. Ein Luxus, den sich aufgrund von Zeitmangel und festen Arbeitswegen wahrscheinlich nicht viele leisten können.

jt