Bürger fordern Respekt für Volksentscheide

Unterschriftensammlung für Verfassungsänderung hat begonnen

In Berlin hat am 28. April die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren »Volksentscheid retten« begonnen, das dem Instrument des Volksentscheids mehr Geltung verschaffen soll. Dafür muss die Berliner Verfassung geändert werden.

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Es eilt.                                                                                                                                                                          Foto:mr

Anlass dafür ist der Umgang der Politik mit dem erfolgreichen Volksentscheid zum Tempelhofer Feld. Im Januar hatte die rot-schwarze Regierungskoalition das Tempelhof-Gesetz geändert, und das Volk konnte dabei nur zuschauen. »Ich bin entsetzt darüber, wie sich 85 Abgeordnete einfach über den Willen von 740.000 Berlinern hinwegsetzen können«, sagte Esther Witt, eine der Initiatorinnen, während der Auftaktveranstaltung im Neuköllner »Heimathafen«. Im März wurde zudem vom Abgeordnetenhaus eine Änderung des Abstimmungsgesetzes beschlossen, die dem Senat und dem Abgeordnetenhaus in Zukunft den Einsatz von Steuergeldern für Wahlkampagnen gegen Initiativen ausdrücklich erlaubt. Für die Initiativen wird es jedoch auch künftig keine Kostenerstattung geben.
Erklärtes Ziel des Volksbegehrens, das von rund 100 Berliner Initiativen unterstützt wird, ist es, den Bürgern eine größere Einflussmöglichkeit zu geben. Zudem sollen einmal im Volksentscheid beschlossene Gesetze stärker vor dem Zugriff des Parlaments geschützt werden. Beschließt das Abgeordnetenhaus eine entsprechende Änderung, sollen innerhalb von vier Monaten Bürgerinitiativen einen erneuten Volksentscheid erzwingen können. Das »Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie« sieht dafür eine Vorgabe von 50.000 Unterschriften vor.
Angestrebt wird auch eine Senkung der Hürden. Nach Einschätzung der beteiligten Initiativen wirken die Quoren abschreckend und verhindern, dass sich gute Ideen aus der Mitte der Gesellschaft durchsetzen. Bei einfachen gesetzlichen Volksbegehren soll daher das Unterschriftenquorum von sieben auf fünf Prozent, bei verfassungsändernden Volksbegehren von 20 auf fünf Prozent gesenkt werden. Das Zustimmungsquorum im Volksentscheid wird bei einfachen Gesetzen von 25 auf 20 Prozent, bei Verfassungsänderungen von 50 auf 35 Prozent gesenkt.
Um eine hohe Beteiligung zu erreichen, sollen Volksentscheide zwingend mit der jeweils nächsten Wahl zusammengelegt werden, falls die Initiatoren keinen anderen Termin beantragen. Um das zu gewährleisten, sollen für den Senat und die Initiativen gleichermaßen Fristen gelten. Die Überprüfung der Zulässigkeit darf dann nicht länger als drei Monate dauern. Derzeit kann sich der Senat für Kostenschätzung und Zulässigkeitsprüfung so lange Zeit nehmen, wie er will.
Susanna Kahlefeld, Abgeordnete der Grünen, erhofft sich durch das Instrument des Volksentscheids ein besseres Zusammenspiel zwischen Regierung, Parlament und Volk. Parlamentarier werden dann mehr mit den Menschen reden und weniger über ihre Köpfe hinweg entscheiden, wenn sie damit rechnen können, dass das Volk die Sache selbst in die Hand nimmt und notfalls eine andere Entscheidung herbeiführt.
Bis Ende Mai müssen 50.000 Unterschriften gesammelt werden, wenn der Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl 2017 stattfinden soll. Weil dieser eine Verfassungsänderung beinhaltet, werden dafür dann 1,25 Millionen Unterstützer benötigt. »Die Chancen dafür steigen, wenn die Abstimmung mit einer Bundestagswahl verbunden wird«, so die Initiatoren. 

mr