Petras Tagebuch

Absender mit Schrecken

Vor Kurzem besuchte ich eine Veranstaltung, die sich mit dem Thema Sanierungsgebiete, Milieuschutz und deren Auswirkungen auf den Einzelnen beschäftigte. Ich lernte viel dazu. Als Essenz nahm ich mit nach Hause, dass Mieter jede Menge Möglichkeiten haben, sich zu wehren, es aber auch tun müssen.
Wie immer am Abend leerte ich meinen Briefkasten und stellte mit Schrecken fest, dass ein Brief von der Hausverwaltung an mich adressiert war. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Mit spitzen Fingern, als befände sich Sprengstoff in meinen Händen, trug ich den Brief in meine Wohnung und legte ihn vorsichtig auf den Schuh-schrank.Klar war mir nur, dass ich mir den Abend nicht durch einen Brief verderben lassen wollte. Ich ließ ihn also verschlossen, das hatte auch am nächsten Tag noch Zeit.
Doch da kamen die Gedanken darüber, was wohl in dem Brief stehen könnte. Es könnte eine harmlose Mieterhöhung sein, gegen die ich mich möglicherweise wehren könnte. Ich telefonierte mit dem Experten. »Natürlich geht da was. Was steht denn in dem Text?« fragte mich der Experte. »Das weiß ich nicht, ich habe den Brief ja nicht geöffnet«, lautete meine Antwort. »Ich rufe morgen nochmal an, heute öffne ich den Brief jedenfalls nicht mehr.«
Es könnte aber auch die Ankündigung der energetischen Sanierung sein. Auch da habe ich die Möglichkeit, mich zu wehren. Ich ging bereits in Gedanken Gutachten von Seiten des Vermieters und von der Gegenseite durch. Ja, da hätte das Haus eine Chance, die energetische Sanierung zu verhindern. Allerdings verkniff ich mir ein nächstes Telefongespräch zu diesem Thema, ich wollte an diesem Abend den Brief nicht öffnen.
Die Kündigung der Wohnung konnte es nicht sein, denn die Miete habe ich immer pünktlich bezahlt. Nein, also ein Kündigungsgrund fiel mir nun gar nicht ein. Oder doch: vielleicht Eigenbedarf?
Ich ging ins Bett und hatte eine recht unruhige Nacht. Im Traum schlief ich schon unter den Brücken Berlins.
Am nächsten Morgen nahm ich den Brief ins Büro mit. Ich wollte ihn dort öffnen, hier war ich nicht allein und konnte mit dem drohenden Schicksalsschlag besser umgehen.
Ich öffnete den Brief. Die Kontoverbindung der Hausverwaltung hatte sich geändert.